Vor kurzem hing an der Tür meines Mietshauses der folgende Aushang: „Ihr Schornsteinfeger kommt.“ Vor meinem geistigen Auge entstand daraufhin das stereotype Bild eines Vertreters dieser Berufsgruppe: Schwarzer Frack, schwarzer Zylinder, männlich.
„Der Schornsteinfeger“ entpuppt sich als eine junge Frau
Als dann der Schornsteinfeger am darauffolgenden Tag zum vereinbarten Termin an meiner Wohnungstür klingelte, war die Überraschung umso größer. An der Tür stand nämlich eine junge Frau, die ich auf Anfang bis Mitte 30 schätzen würde. Sie trug zwar schwarze Dienstkleidung, aber weder Frack noch Zylinder. Und um die Verwirrung komplett zu machen, stellte sie sich mit diesen Worten vor: „Hallo, ich bin der Schornsteinfeger.“
Welche Rolle spielt das generische Maskulinum?
Nach getaner Arbeit verließ sie meine Wohnung und ich stellte mir die Frage: Wie konnte mich mein Gehirn so täuschen? Kritiker beziehungsweise Kritikerinnen des generischen Maskulinums würden an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die männliche Berufsbezeichnung ein männliches Bild zeichnet – und Frauen sprachlich unsichtbar macht. Meine Schornsteinfegerin – Pardon: Schornsteinfeger – hat damit allerdings scheinbar kein Problem.

Dirk Ley Foto: Radoslaw Polgesek