Region

Warum es das Wildtier des Jahres 2024 schwer hat in den Gärten

Kleine Igel werden im Hochsommer geboren. Ihre Kinderstube ist unter Hecken und Sträuchern. Ein guter Grund, um bei der Arbeit mit Freischneidern, Mährobotern und elektrischen Heckenscheren wachsam zu sein.

Zwei junge Igel an einer Steinstufe, die von Efeu berankt ist.

Es kann sein, dass junge Igel tagsüber durch den Garten wandern. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass sie verwaist sind. Foto: Colourbox

Die Igel erwarten demnächst Nachwuchs. Nach rund 35 Tagen Tragzeit wirft die Igelin zwischen Ende Juli und Ende August zwei bis sieben Jungtiere. Sie sind rund sieben Zentimeter lang und unbehaart. Allerdings sind die weichen, weißen Stacheln unter der Haut bereits zu erkennen. Übrigens ist das Igelweibchen alleinerziehend, denn das Männchen verschwindet gleich nach der Paarung.

Das Nest, das die Igelin für ihren Nachwuchs baut, ist stabil und mit Gras und Blättern gepolstert. Sie baut es bevorzugt unter Hecken, Sträuchern oder dort, wo Laubhaufen und Totholz liegen. Aus diesem Grund sollten Gartenbesitzer bei der Arbeit besonders aufmerksam sein, denn die Igelfamilie braucht ein ungestörtes Versteck.

In der Paarungszeit wird laut geschnauft

Da Igel nachtaktiv sind, weiß so mancher Hausbesitzer gar nicht, dass die Stacheltiere nachts durch seinen Garten streifen. Nur während der Paarungszeit machen sie sich bemerkbar und das oft lautstark, berichtet Merwel Otto-Link von der Igelpflege Rotenburg. „In dieser Zeit kann man sie manchmal am frühen Abend oder morgens alleine oder zu Zweit sehen und vor allem hören. Sie machen sonderbare Geräusche und schnaufen laut.“

Wenn sich Igelmütter gestört fühlen, verlassen sie den Nachwuchs

Sobald sich die Igelmutter von außen gestört fühlt, kann es sein, dass sie das Nest verlässt. Dann verhungert der Nachwuchs, der in den ersten sechs Wochen von ihr gesäugt wird. Und wird ein Nest durch Gartengeräte beschädigt oder zerstört, kann es zu tödlichen Verletzungen der Igel kommen, macht die Deutsche Wildtier Stiftung in einer Pressemitteilung deutlich. Hier wird auch dazu geraten, statt elektrischer Maschinen in der Wurf- und Aufzuchtzeit mit Heckenschere, Rechen und Besen im Garten zu arbeiten, denn so können Gartenbesitzer schneller reagieren.

Dass Mähroboter zum Igelschutz nicht in den Dämmerungs- und Nachtstunden eingesetzt werden, sondern nur zwischen 11 und 15 Uhr, sollte mittlerweile selbstverständlich sein.

Kleine Igel lernen, was alles fressbar ist

Mit etwa drei bis vier Wochen sind die Igel selbstständig. Sie verlassen ihr Nest und gehen auf kleinere Touren durch die Gärten. Ihre Milchzähne wachsen.

Igel haben einen ausgeprägten Geruchssinn und riechen ihre Beute viele Meter weit. Die kleinen Igel lernen jetzt, was fressbar ist. Sie durchwühlen Kompost- und Laubhaufen nach Käfern, Raupen, Insektenlarven und Würmern und verspeisen auch weggeworfene Nahrungsreste neben Mülleimern.

Auch ein junger Igel kann mal die Orientierung verlieren

Dann kann es auch passieren, dass ein Igeljunges auf seinen Streifzügen die Orientierung verliert und den Weg zum Nest nicht mehr findet. Mit leisen Pieplauten ruft es nach seiner Mutter, die es dann wieder einsammelt. Ein Jungigel, der tagsüber auf dem Rasen sitzt, ist nicht gleich ein Waisenkind.

Wiegen Igeljunge etwa 250 Gramm, sie sind dann ungefähr fünf bis sechs Wochen alt, sind sie unabhängig von der Mutter als Einzelgänger unterwegs.

Zahl der Igel, die aufgepäppelt werden müssen, steigt

Auch wenn es durchaus normal sein kann, wenn ein Igelkind tagsüber im Garten herumläuft, sollten Gartenbesitzer trotzdem aufmerksam sein, denn es wird für kleine, aber auch für große Igel immer schwieriger zu überleben, macht Merwel Otto-Link klar. „Wir haben in diesem Jahr schon rund 300 Igel bekommen, die bei uns versorgt und aufgepäppelt wurden. Und dabei hat die Saison noch gar nicht begonnen.“

Insektensterben macht auch den Igeln zu schaffen

Da sind zum einen Stacheltiere, die durch Gartengeräte schwer verletzt werden, aber immer mehr Igel werden aufgenommen, weil sie schwach und kränklich sind, berichtet die Vorsitzende des Vereins Igelpflege. „Wenn die Insekten sterben, haben auch die Igel nicht mehr genügend Futter.“

Zwar fressen die Tiere auch Regenwürmer und Schnecken, die es in diesem Jahr reichlich gibt, aber die sind auch Überträger von Lungenwürmern und dem Darmsaugwurm, die für geschwächte Tiere lebensbedrohlich werden können.

Darüber hinaus brauchen Igel für eine gesunde Ernährung Insekten, die einen chitinhaltigen Panzer habe, wie zum Beispiel Laufkäfer, ergänzt Merwel Otto-Link.

Der Verein trägt sich nur durch Spenden

Junge Igel landen jedes Jahr in großen Mengen bei dem ehrenamtlich arbeitenden Team der Igelpflege. „Die Mütter sind entweder zu schwach, um ihren Nachwuchs aufzuziehen, sie wurden überfahren oder durch Gartengeräte schwer verletzt“, hat Merwel Otto-Link festgestellt.

Ihr eingetragener Verein trägt sich alleine durch Spenden. Eine Unterstützung durch den Landkreis gibt es nicht und das bei monatlichen Arztkosten, die im Durchschnitt im vierstelligen Bereich liegen. „Seitdem die Wildtierstation und das Tierheim keine Igel mehr aufnehmen, sind es bei uns noch mehr geworden. Das ist fast nicht mehr zu stemmen“, bedauert die Vorsitzende.

Ein Igel wird in einem Tuch gehalten.

300 Igel hat die Igelpflege Rotenburg in diesem Jahr schon aufgenommen. Und die Saison hat noch gar nicht begonnen. Foto: Bert Albers

Sabine Hennings

Reporterin

Sabine Hennings wurde in Hamburg geboren. Sie arbeitet seit 2001 für die Zevener Zeitung, seit 2015 als Redakteurin. Sabine hat Kommunikationsdesign in Hamburg studiert.

0 Kommentare
Newsletter Der KZW-Newsletter
Alle wichtigen Nachrichten und die interessantesten Ereignisse aus der Region täglich direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Mit Empfehlung aus der Redaktion.
PASSEND ZUM ARTIKEL
nach Oben