Selten sorgte eine Gemeinderatssitzung für so viel Publikum, wie die des Tarmstedter Rates am Donnerstag. Rund 80 Frauen und Männer nahmen in der Pausenhalle der KGS-Oberstufe Platz, darunter überwiegend Anlieger der Straße Weidedamm.
Wichtigstes Thema: Der geplante Ausbau der Straße und die damit verbundenen Kosten für die Anlieger. Der Abend endete für viele mit Wut im Bauch.
Der Rat stimmte mehrheitlich für den Ausbau des Weidedamms. Nein-Stimmen kamen von der Grünen-Fraktion und von Teilen der SPD.
Zuvor beantragte Ratsherr Wilfried Kösters (Grüne), die Planung um sechs Monate zu verschieben. Sylvia Best (SPD) schlug eine Erhöhung des Vorabzugs der Gemeinde bei den Anliegerbeiträgen von jetzt 42 Prozent auf dann 50 Prozent vor. Das hätte für die Anlieger eine weitere Senkung der Beiträge zur Folge. Beide Anträge fanden keine Mehrheit.
Abgelehnt wurden die Anträge zweier Weidedamm-Anlieger auf Aussetzung der Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs). Ratsherr Bernd Sievert (SPD) machte deutlich, dass der Druck auf die Gemeinderatsmitglieder derzeit hoch sei. Er werde aber nicht einknicken. Er habe vor zwei Jahren die aktuelle Satzung mitbeschlossen und stehe weiterhin zu der Entscheidung. Für eine Aussetzung der Strabs sprach sich die Grünen-Fraktion aus.
BI Weidedamm meldet sich zu Wort
In der Sitzung meldete sich die Bürgerinitiative Weidedamm zu Wort. Die Gruppe protestiert seit Monaten gegen den geplanten Ausbau, den sie für überdimensioniert hält. Außerdem wehrt die BI sich dagegen, dass die Kosten dafür zum Teil auf die Anlieger umgelegt werden sollen.
Christina Bruns (BI) kritisierte eine „sehr schnelle Entscheidungsfindung“. Seit öffentlichem Bekanntwerden der Ausbaupläne sei wenig Zeit gewesen, um Alternativen auszuloten und einzuholen. Das Ziel, so Bruns, sei, eine verträgliche Lösung für alle Beteiligten zu finden.
Nicole Gerdes, ebenfalls von der BI, hob die Tragweite der bevorstehenden Entscheidung hervor. Jeder und jedem im Rat müsse dies bewusst sein. Bei dem Projekt gehe es um Summen, die zum Teil im fünfstelligen Bereich liegen und die die Betroffenen in reale Existenznöte bringen, so Gerdes.
Erneut kritisiert wurde, dass mit dem Bau des Regenwasserkanals Dinge miterledigt werden sollen, von denen die Anlieger nicht profitieren. So solle unter anderem auf Kosten der Anlieger gleich Bauerwartungsland miterschlossen werden.
Mögliche Befangenheit
Gemeindedirektor Oliver Moje zeigte auf, welche Einsparungen und Alternativen Rat und Verwaltung in den vergangenen Wochen in Absprache mit Vertretern der Anlieger erarbeitet haben. Von den ursprünglich geschätzten Kosten von 2,7 Millionen Euro seien noch 2,4 Millionen Euro verblieben. Davon müssten die Anlieger knapp 479.000 Euro tragen. Das entspreche einem Anteil von 21 Prozent an den Gesamtkosten. 79 Prozent trägt die Gemeinde. Die einzelnen Anlieger müssten nach derzeitigen Kostenschätzungen einen Anliegerbeitrag von 7,13 pro Quadratmeter zahlen, so Moje.
Alexei Walter (BI) stellte einen Antrag auf Überprüfung von Befangenheit. Hella Rosenbrock, Frauke Detjen und Florian Kruse (alle CDU) könnten einen Vorteil vom Ausbau haben. Beim Tagesordnungspunkt Ausbau Weidedamm nahm Rosenbrock denn auch im Zuschauerraum Platz. Detjen und Kruse behielten Platz und beteiligten sich an der Abstimmung.
Auf Anfrage erklärt die Bürgermeisterin, dass sie im Weidedamm wohnt und das Haus, das sie bewohnt, ihrem Bruder gehört. Es bestehe also ein verwandtschaftliches Verhältnis und deshalb könnte sie befangen sein.
Die Bürgerinitiative kündigt nun weitere Schritte an. Ein Bürgerbegehren ist für die Gruppe denkbar, eine Anfechtung des Beschlusses ebenso, sagte Gerdes direkt im Anschluss an die Sitzung.

Das Publikumsinteresse an der jüngsten Ratssitzung in Tarmstedt ist groß. Das Thema des Abends in der Oberstufe ist der Ausbau der Straße Weidedamm. Foto: Saskia Harscher

Vor der Ratssitzung stellen einige Anlieger der Straße Weidedamm Plakate auf, die sonst vor ihren Grundstücken stehen und anzeigen, wie teuer der Straßenausbau für sie wird. Foto: Saskia Harscher