Bremerhaven

Öko-Strom statt Gas: Das Fliesenwerk Nordceram in Bremerhaven scheint gerettet

Das kriselnde Fliesenwerk Nordceram in Bremerhaven ist offenbar gerettet. Ein Investor aus Ostdeutschland mit Visionen will den Standort weiterführen – und ihm eine grüne Zukunft eröffnen.

Solarkollektoren auf den Dächern, Wänden und Freiflächen: Investor Meta Wolf will, dass Nordceram seine Fliesen auf Sicht mit umweltfreundlichem Strom statt mit Gas brennt.

Solarkollektoren auf den Dächern, Wänden und Freiflächen: Investor Meta Wolf will, dass Nordceram seine Fliesen auf Sicht mit umweltfreundlichem Strom statt mit Gas brennt. Foto: Meta Wolf

Ab 1. April 2024 wird das Fliesenwerk Nordceram von der Norddeutschen Solar Ceramics fortgeführt – einer Tochter der Meta Wolf AG (Kranichfeld/Thüringen).

Das teilte dieses Unternehmen am späten Mittwochabend mit. „Die meisten Arbeitsplätze“ am Standort Bremerhaven sollen damit erhalten werden können. Die Rede ist von 130 Stellen.

Bislang gehörte Nordceram zur Steuler Fliesengruppe AG

Bislang gehörte Nordceram zur Steuler Fliesengruppe AG Deutschland. Das traditionsreiche Unternehmen zählte zu den bedeutendsten Fliesenherstellern in Deutschland.

In seinen drei Werken in Bremerhaven, Mühlacker (Baden-Württemberg) und Leisnig (Sachsen) produzierte Steuler mit 600 Mitarbeitern jährlich rund 13 Millionen Quadratmeter. Jede zehnte hierzulande verlegte Fliese stammte damit von Steuler. 2022 machte das Unternehmen noch 3,3 Millionen Euro Gewinn.

Bau-Einbruch und teures Gas sorgten für eine tiefe Krise

Der Einbruch der Baukonjunktur und die explodierenden Gaspreise aber stürzten Steuler in eine tiefe Krise. Anfang Juli musste der Fliesenfabrikant Insolvenz anmelden. Seither wurden Käufer für die energieintensiven Betriebe gesucht.

Nordceram in Bremerhaven stand dabei nach Informationen der NORDSEE-ZEITUNG auf der Kippe. Vorige Woche war noch befürchtet worden, dass der weltweit operierende italienische Konzern Panaria Ceramica seinen Mitbewerber Steuler komplett kauft, aber nur dessen Werk in Leisnig (Sachsen) weiterführen wird. Nordceram und der Firmensitz in Bremen (nach Unternehmensangaben zusammen 175 Arbeitsplätze) schienen akut bedroht.

Spektakuläre Wende: Nordceram geht an Meta Wolf-Tochter

Am Mittwochabend dann die spektakuläre Wende: Nordceram wird bis Ende März 2024 regulär weitergeführt – und ab 1. April von der Norddeutschen Solar Ceramics übernommen. Dieses Unternehmen gehört zur Meta Wolf AG.

Nach eigener Mitteilung wurde die Meta Wolf AG 1995 als erstes Thu¨ringer Technologieunternehmen im Bauwesen an der Frankfurter Bo¨rse notiert. Sein Fokus liegt „auf der digitalen und o¨kologischen Transformation“.

Auch bei Nordceram mit seinen drei gasbetriebenen Tunnelöfen verspricht Meta Wolf eine Transformation, die visionär klingt. Finanzchef Andre´ Schu¨tz kündigt an: „Wir werden die Organisations- und Produktionsprozesse der Norddeutschen Solar Ceramics mit unserem internationalen Team schrittweise digitalisieren, elektrifizieren, dekarbonisieren und dezentralisieren.“

Gas soll durch Solarenergie und Wasserstoff abgelöst werden

Sandy Mo¨ser, Chief Executive Officer bei Meta, greift noch höher: „Wir setzen auf den Schulterschluss mit der Politik, auf deutsche Ingenieurkunst, auf Keramikproduktion ,Made in Germany‘ und auf die Ablo¨sung von Gas durch Solarenergie und Wasserstoff. Die ,gru¨ne Fliese‘ aus Bremerhaven klimaneutral zu liefern ist unser ultimatives Ziel. Das internationale Meta Wolf Expertenteam aus IT, Photovoltaik, Elektrik, Keramik und Werksplanungsingenieuren wird die o¨kologische und digitale Transformation ,Made in Bremen‘ begleiten“.

"Grüne Fliese aus Bremerhaven" und alles voller Solarpanele

Das Wort von der „Grünen Fliese aus Bremerhaven“ machte bereits während der Verkaufsverhandlungen die Runde. Es gibt schon eine Illustration von Meta Wolf, die zeigt, wie das Werk und die Lagerhallen im Fischereihafen von Bremerhaven komplett mit Solarpanelen verkleidet werden sollen. Das soll offenbar untermauern: Meta Wolf will Fliesen mit Strom aus erneuerbaren Energien brennen.

Dem Vernehmen nach soll die Produktion mit den drei Brennöfen an der Neufundlandstraße schon bald wieder anlaufen – ganz klassisch mit Gas als Brennstoff.

Kaufpreis liegt "im niedrigen einstelligen Millionen-Bereich"

Der Kaufpreis soll laut Meta Wolf „im niedrigen einstelligen Millionen-Euro-Bereich“ liegen und wird „aus vorhandenen liquiden Mitteln der Meta Wolf-Gruppe finanziert".

Meta Wolf firmierte bis 2022 unter dem Namen Mühl Produkt & Service AG. Das Unternehmen lieferte bislang Produkte für die Bauindustrie. 2022 hatte Meta Wolf nach den Daten der Börse Frankfurt 74 Mitarbeiter und machte 20,68 Millionen Euro Umsatz.

Jetzt sind die Pläne größer. Meta Wolf über sich selbst: "Wir unterstu¨tzen die dezentrale Solar-Stromerzeugung und die Elektrifizierung von Produktionsprozessen zur Erzeugung gru¨ner klimafreundlicher Bauprodukte und CO2-freie wie z.B. Gru¨ner Keramik. Neben der Dekarbonisierung investieren wir in die Digitalisierung der Organisationsprozesse und die Entwicklung von Web3-basierter Prozessautomation. Hier haben wir ein internationales Expertenteam in Hungen, Kranichfeld, Singapur, Bangalore und Guangzhou zusammengestellt.“

Nach eigener Aussage will das Unternehmen bis 2030 „1.000 Jobs“ schaffen und „gleichzeitig einen Rohertrag von bis zu 200 Millionen Euro fu¨r unsere Aktiona¨re erzielen.“

Hinter Meta Wolf steht der Investor Thomas "Tom" Wolf

Meta Wolf gehört zu 76,11 Prozent dem Unternehmer und Investor Thomas "Tom" Wolf. Er hat zuvor RIB Software, ein international agierendes Unternehmen für Software in der Baubranche, zu beachtlicher Größe geführt und von 2009 bis zu dessen Verkauf 2021 als Vorstandsvorsitzender geführt.

Der in Asien lebende Unternehmer investiert nach eigenen Aussagen in Zukunftstechnologien. Sein Slogan auf der Plattform Linkedin Singapore lautet: „We build the future for the next generation.“

Oberbürgermeister Grantz: "Ich setze auf noch mehr Arbeitsplätze"

Der Bremerhavener Oberbürgermeister Melf Grantz zeigt sich „sehr erleichtert, dass wir dank der vielen Bemu¨hungen von allen Seiten insgesamt 130 Arbeitspla¨tze fu¨r Bremerhaven erhalten konnten.“ Grantz weiter: „Die Pla¨ne, in Bremerhaven ku¨nftig ,die gru¨ne Fliese‘ mit Solar-Energie statt Gas zu produzieren, fu¨gt sich wunderbar in unser Zukunftskonzept fu¨r den Fischereihafen ein. Ich setze darauf, dass so ku¨nftig auch noch mehr Arbeitspla¨tze entstehen, wie uns in den Gespra¨chen glaubhaft vermittelt wurde.“

Senatorin Vogt: "Das macht den Standort Bremerhaven zukunftsfähig"

Die Bremer Senatorin fu¨r Wirtschaft, Ha¨fen und Transformation, Kristina Vogt, kommentiert den Besitzerwechsel so: „Die Entscheidung der Norddeutschen Solar Ceramics, den Standort Bremerhaven zu u¨bernehmen, sichert viele Arbeitspla¨tze und unterstreicht die Bedeutung einer nachhaltigen Industrieentwicklung fu¨r die Region. Es ist ein positives Signal, dass das Unternehmen in digitale und o¨kologische Transformation investiert und damit den Standort Bremerhaven sta¨rkt und zukunftsfa¨hig macht.“

Steuler-Vorstand Lakos: "Deutschland braucht Metawölfe"

Der Vorstand der Steuler Fliesengruppe, Alexander Lakos, zeigt sich "sehr froh": "Wir konnten den Standort Bremerhaven und die meisten Arbeitspla¨tze retten. Zudem: Eine fantastische Perspektive fu¨r die Menschen, die hier am Standort Bremerhaven arbeiten werden. Deutschland braucht mehr Metawo¨lfe, die nicht jammern, sondern anpacken.“

Das Werk in Mühlacker muss wohl schließen

Das Steuler-Werk in Leisnig (Sachsen) dürfte nach unseren Informationen von Panaria Ceramica übernommen werden. Für das Werk in Mühlacker (Baden-Württemberg) konnte nach einer Mitteilung von Steuler kein Käufer gefunden werden. Anders als Bremerhaven steht es nun vor der Schließung.

Die Steuler Fliesengruppe AG soll nach einer Ad hoc-Mitteilung des Unternehmens "nach dem Verkauf der restlichen Geschäftsbereiche abgewickelt werden". Die Steuler-Firmenzentrale in Bremen steht also auf Sicht vor der Schließung.

Das Bremerhavener Werk Nordceram am Fischereihafen muss seine Tore nun offenbar doch nicht für immer schließen.

Das Bremerhavener Werk Nordceram am Fischereihafen muss seine Tore nun offenbar doch nicht für immer schließen. Foto: Arnd Hartmann

Christian Lindner
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