Was ein Forschungsschiff mit einem Hut, einer Piccolo und Gräbern zu tun hat

Vor ihm das vereiste Watt, unter kristallklarem Himmel. Am Horizont zeichnen sich schemenhaft die Kräne Wilhelmshavens ab. Der Mann mit dem Hut schaut dorthin. Es ist Sonntagmittag. Endlich Schluss mit dem Nieselgrau, die Sonne hat mich zur Frischluftdusche nach Weddewarden gelockt, zum Deich. Der ist voll Sonnendurstiger, Silhouetten vor Blauhimmel und der faszinierenden Kulisse der Container-Terminals. Mich drängt’s nach Wremen.

Ich stapfe am „Kleinen Preußen“ vorbei und werde von dem älteren Herrn mit Hut überholt. Eine kleine Flasche in der Hand, hält er genau wie ich auf den Betonvorsprung im Deich zu, lässt sich auf den grauen Buckeln nieder, schaut zum Horizont. Und zu mir Heranschlendernde. „Schöne Stelle hier“, grüße ich.

Er freundlich zurück, „Ja. Und da drüben ist meine Frau.“ Er nickt zum Horizont. „In Wilhelmshaven?“, frag‘ ich. „Nee, Draußen. Im Wasser. Wo die Seebestattungen sind.“ Ich schweige. Denke an meine Gräber. Er erzählt und dreht die Sektpiccolo auf. „Ich komme zu Jahresanfang immer hierher, zum Zuprosten. Ist schön hier. Darum bin ich auch aus Stuttgart damals hier rauf und dann 40 Jahre zur See gefahren. Forschungsreisen des Bundes, überall in der Welt, Pazifik, Atlantik, kennen Sie die ‚Meteor‘? Ich war der leitende Ingenieur. ’ne gute Zeit... - ach, würden Sie mich hier an dem Platz mal mit meinem Handy knipsen?“ Sicher. Er lächelt. „Danke fürs Gespräch. Und ein gutes Neues!“ Ich lächle, „danichfür.“ Und gehe weiter, dem Horizont entgegen. Voll Zukunft. Und voll Vergangenheit. Alles ist gut, hier und jetzt. „Leicht muss man sein, mit leichtem Herz und leichten Händen, halten und nehmen und lassen“ - Hugo von Hofmannsthal.