Wie lange ist man ein junger Mann? Ich hatte jetzt das Erlebnis, am selben Tag ein älterer Herr und ein junger Mann zu sein. Ein bisschen verwirrend war das schon.
Als ich Kind war, trugen ältere Herren Hut und mitunter Gehstock. Ich habe das so zusammen abgespeichert. Deswegen zucke ich innerlich immer noch zusammen, wenn jemand den Begriff älterer Herr für mich verwendet. Ich trage üblicherweise keinen Hut und schon gar keinen Gehstock. Diese Kategorisierung von älterer Herr hat mit mir rein gar nichts zu tun. Und doch hat es mich jetzt erwischt, als ich - mit einem zweiten älteren Herren ohne Hut und Gehstock - einer jungen Frau begegnete, die uns zu einer großen Halle geleitete. Wir wussten nur, dass wir dort eine junge Frau treffen würden. Sie wusste, so hatte man es ihr mitgeteilt, dass „zwei ältere Herren“ vorbeikommen. Autsch. Unsere Arbeitskleidung hat uns vor dieser Etikettierung nicht bewahrt.
Immerhin eine gute Stunde später wurde ich zum „jungen Mann“. Und das kam so. In einem Nordenhamer Lebensmittelgeschäft hatte ich meinen Einkauf liegen lassen. Die Verkäuferin war so freundlich und lief mir hinterher. Ich hatte auf dem Marktplatz inzwischen einen Bekannten getroffen und hielt einen Plausch. Sie übergab mir die Tüte und sagte, nur ganz leicht vorwurfsvoll: „Ich habe Ihnen doch noch ,Junger Mann, ihr Einkauf‘ hinterhergerufen.“
Ich muss zugeben, dass dieser „Junge Mann“ die kleine Verletzung, die der Begriff „älterer Herr“ meinem Selbstbild zugefügt hat, nicht ausgeglichen hat. Denn ich bin kein junger Mann. Schon lange nicht mehr. Es ist halt so ein Spruch, vor allem auf dem Wochenmarkt: „Junger Mann, was darf‘s sein?“ Es klingt ja auch netter als „Hallo Graukopf“ oder „Hey, Alter“.
Und nun? Man muss den Tatsachen tapfer ins Auge sehen. Na ja, zumindest irgendwann. Wenn ich denn mal ein älterer Herr bin. Aber ganz bestimmt ohne Hut und möglichst lange ohne Gehstock.