Wer heute noch der Meinung ist, Killerspiele am PC sind schuld daran, dass Menschen Gewaltfantasien entwickeln, hat vermutlich noch nie mit „Elster“ gearbeitet. Das Online-Programm für die Einkommensteuer-Erklärung weckt in jedem Jahr um die gleiche Zeit bei mir das dringende Bedürfnis, Dinge kaputtzuschlagen und den Entwicklern der Software, vor allem aber der herrschenden Steuergesetzgebung Schmerzen zuzufügen. Ich weiß, das ist nicht richtig. Aber ehrlich, bei „Call of Duty“ oder „Battlefield 1942“ hatte ich solche Anwandlungen nie. Vielleicht liegt das daran, dass man bei Ballerspielen nicht von vornherein das Gefühl bekommt, schon beim Laden des Programms verloren zu haben.
Mein jüngstes Schlüsselerlebnis im Grenzbereich zwischen Digitalisierung und Aggressionskontrolle hatte bei der simplen Bearbeitung eines Antragsformulars für eine Versicherung. Nachdem ich meinem Berater erklärt hatte, dass ich keinen Drucker greifbar hatte, um das Formular auszudrucken und zu unterschreiben, erwiderte der, dass das gar nicht nötig sei, weil man solche Formulare mittlerweile doch online unterschreiben könne. Meine ersten Versuche über das PDF-Programm führten auf eine Funktion, die meinen Namen einfach in eine kunstvoll stilisierte Fake-Handschrift verwandelte. Da mir nicht geheuer war, ob derlei Spielerei wirklich rechtsgültig ist, habe ich letztlich lieber drei Tage an zwei verschiedenen Rechnern aufgewandt, um die Funktion zu finden, mit der ich eine bereits eingescannte Unterschrift von mir in das richtige Format umwandeln und ans Ende des Formulars montieren konnte. In der Hoffnung, dafür vielleicht nicht wegen Urkundenfälschung in den Knast zu kommen. Obwohl: Dann hätte zumindest ein paar Jahre lang vor „Elster“ meine Ruhe.