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Milliarden-Geschäft Küstentourismus: Wer zahlt und wer profitiert am meisten?

Die Tourismusagentur Nordsee (TANO) hat genau hingeguckt: Wie viele Besucher kommen an die niedersächsische Nordseeküste? Wo wohnen sie und wie viel Geld geben sie aus? Klar ist: Es geht um Milliarden.

Übernachten in der Schlafhängematte Spieka-Neufeld: Tourismus an der Küste hat viele Gesichter und ist ein riesiges Geschäft.

Übernachten in der Schlafhängematte Spieka-Neufeld: Tourismus an der Küste hat viele Gesichter und ist ein riesiges Geschäft. Foto: Leuschner

Dass die Küste ein echter Touristenmagnet ist, konnte man auch in diesem Jahr wieder gut beobachten: volle Strände, gut besuchte Innenstädte, auf den Straßen jede Menge fremde Autokennzeichen - und das trotz des eher mäßigen Wetters im Juli. Doch allgemeine Beobachtungen und gefühlte Touristenzahlen sind natürlich keine Grundlage, um den Tourismus entlang der niedersächsischen Nordseeküste weiter zu entwickeln. Die eigens gegründete Tourismusagentur Nordsee (Tano) hat deswegen eine Studie erstellen lassen. Sie vertritt die Landkreise und Städte zwischen dem Dollart im Westen und der Elbmündung im Osten. Emden allerdings ist kein Mitglied.

Das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr (dwif) nahm im Auftrag der Tano das Jahr 2022 unter die Lupe, und zwar ganz genau. Wie viele Leute kommen wirklich an die Küsten? Also nicht nur Hotel- und Ferienwohnungsnutzer, sondern insgesamt? Und viel wichtiger noch: Wie viel Geld lassen all diese Leute da? Satte 4,3 Milliarden Euro, lautet die erstaunliche Antwort, jedenfalls brutto. Netto sind es immer noch 3,9 Milliarden Euro.

Die Studie: Woher die Zahlen kommen

„Ich finde das nicht so überraschend“, kommentiert Mario Schiefelbein diese Zahl. Er ist Geschäftsführer der Tano und hat diese Studie in Auftrag gegeben. Um erst mal eine Bestandsaufnahme zu machen, wie er sagt. Denn bisher weiß man zwar in einzelnen Landkreisen oder in einzelnen Dachorganisationen, wie es jeweils mit dem Tourismus läuft. Zahlen für die ganze niedersächsische Nordseeküste gab es bisher aber nicht; jedenfalls keine genauen. Das Landesamt für Statistik, schreibt die Tano, ziehe für seine Erhebungen nur die Übernachtungen in Betrieben ab zehn Betten beziehungsweise auf Campingplätzen mit mindestens zehn Stellplätzen heran.

Mario Schiefelbein ist Chef der Tourismusagentur Nordsee.

Mario Schiefelbein ist Chef der Tourismusagentur Nordsee. Foto: Tano

Das dwif dagegen guckte nach eigenen Angaben auch auf Tagesreisen, auf Gäste in Privatunterkünften, Yachtbesatzungen in Sportboothäfen, Wohnmobilisten, Zweitwohnungsbesitzer, sogar auf privat untergebrachte Freunde. Dabei wurden Daten aus den einzelnen Landkreisen herangezogen und Hochrechnungen nach repräsentativen Haushaltsbefragungen erstellt (bei den privat untergebrachten Freunden und Verwandten etwa). Der Unterschied ist imposant: „So wurden für das Jahr 2022 nicht nur 15,4 Millionen Übernachtungen – wie in der amtlichen Statistik des Landes Niedersachsen ausgewiesen – für die Nordsee-Region errechnet“, schreibt die Tano, „sondern insgesamt 82,32 Millionen Aufenthaltstage.“

Die Studie: Welche Gäste kommen

Die meisten dieser Aufenthaltstage (41 Millionen) fallen auf Tagesgäste, die laut dwif-Berechnungen durchschnittlich am Tag 28,70 Euro in der Region lassen. Da kommen dann rechnerisch schon mehr als eine Milliarde Euro brutto zusammen. Die nächst größere Gruppe bei den Aufenthaltstagen (15 Millionen) bilden diejenigen, die in Privatquartieren mit weniger als zehn Betten, Sportboothäfen und Zweitwohnungen unterkommen. Die lassen dann schon durchschnittlich 83 Euro vor Ort, zusammen eine weitere gute Milliarde Euro.

Die an der Tano beteiligten Kreise und Gemeinden.

Die an der Tano beteiligten Kreise und Gemeinden. Foto: Screenshot Mapcreator

Für den größten Brocken am Bruttoumsatz (1,4 Milliarden Euro) sorgen demnach die Urlauber, die in größeren gewerblichen Betrieben mit mehr als zehn Betten unterkommen, der geringste Anteil (200 Millionen Euro) fällt auf die Camper und Reisemobilisten. Die geben übrigens rechnerisch im Durchschnitt rund 40 Euro am Tag aus.

Die Verteilung

Interessant ist noch die Frage, wo der Tourismus entlang der niedersächsischen Küste am meisten erwirtschaftet. Die dwif-Studie für die Tano gibt dazu zwar keine Auskunft. Wohl aber eine andere Studie, die dasselbe Institut für die Ostfriesland Tourismus GmbH (OTG) gemacht hat. Die OTG ist eine touristische Marketing-Dachorganisation, die die Landkreise und Städte auf der ostfriesischen Halbinsel vertritt, also Ostfriesland plus Friesland, Ammerland und Wilhelmshaven. Der Studie zufolge erwirtschaftete die Tourismusbranche hier 2022 einen Bruttoumsatz von knapp 3,2 Milliarden Euro. Von den 4,3 Milliarden entlang der ganzen Küste, also inklusive der Landkreise Wesermarsch, Cuxhaven und der Stadt Bremerhaven.

Auch Bremerhaven zieht viele Touristen an.

Auch Bremerhaven zieht viele Touristen an. Foto: Wessolowski

Anders als die Tano hat die OTG auch schon eine Vorstellung, in welche Richtung der Trend geht, da sie diese Untersuchungen schon länger machen lässt. Und der Trend ging 2022 noch nach unten. „Insgesamt“, heißt es bei der OTG, „fällt der Bruttoumsatz (-0,9 Prozent) geringer aus als bei der letzten Untersuchung für das Jahr 2019.“ Die Gründe lägen in dem geringeren Aufkommen an Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben und weniger Tagesgästen bei gleichzeitig inflationsbedingten gestiegenen Reiseausgaben.

„Wir befinden uns noch immer in einer postpandemischen Situation“, so die OTG. 2022 seien auch wieder vermehrt ausländische Ziele angesteuert worden. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Der Tagestourismus in Ostfriesland, heißt es, zeige deutlichere Erholungstendenzen als in vielen anderen Regionen.

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