Bremerhaven

Wahlen in Bremerhaven und Bremen als Schülerspaß auf dem Schulhof?

Schülern soll es künftig einfach gemacht werden, ihre Stimme abzugeben. Und zwar mithilfe von Wahlurnen in den Schulen. Bundesweit ist das ein einmaliger Versuch, die Wahlbeteiligung bei Jungwählern zu steigern. Aber er droht krachend zu scheitern.

Richter stehen vor Richterbank

Die Richter des Staatsgerichtshofs überprüfen, ob Wahlurnen in Schulen eine zulässige Methode sind, um die Beteiligung bei den Erstwählern zu erhöhen. Präsident Peter Sperlich (Dritter von rechts) hat viele Fragen und Bedenken. Foto: Mündelein

Die Refom des Wahlgesetzes, die eine Stimmabgabe in Schulen ermöglichen soll, liegt derzeit beim Staatsgerichtshof. Die Bürgerschaftsfraktionen waren selbst unsicher, ob ihre Vorstellungen mit der Verfassung vereinbar sind. Deshalb baten sie die Richter um Überprüfung. Die haben am Dienstag beraten, etliche Frage gestellt und noch mehr Bedenken geäußert. Da gibt es offenbar erheblich Zweifel.

Interesse an den Wahlen sinkt

Die Reform soll noch nicht bei den Wahlen am 14. Mai greifen, sondern erst in ein paar Jahren. Ziel ist es, die 16 und 17 Jahre alten Erstwähler verstärkt an die Wahlurnen zu locken. Landesweit geht es dabei um 10.345 Personen. Seit Jahren sinkt bei ihnen das Interesse an den Wahlen. Der Staat soll ihnen deshalb im wahrsten Sinne des Wortes entgegen kommen. Geplant ist, eine Woche vor dem regulären Wahltag landesweit an 50 Schulen so genannte Briefwahlzentren einzurichten. Hier kann sich jeder Schüler die Wahlunterlagen abholen und auch mit den Kreuzen versehen wieder abgeben. Die Regierungsfraktionen ahnten, dass das eine Bevorzugung einer Wählergruppe ist. Deshalb soll grundsätzlich jeder Wahlberechtigte das Recht haben, das Briefwahlzentrum in einer Schule für seine Stimmabgabe zu nutzen.

Für Peter Sperlich, Präsident des Staatsgerichtshofs, ist der Zugang für alle eher ein Nebeneffekt. Er spricht von einer Bevorzugung einer Wählergruppe und einer Ungleichbehandlung. Ist das in Ordnung, um bei dieser Wählergruppe die Wahlbeteiligung zu erhöhen? Sperlich hat Zweifel. Er betont, dass es andere Wählergruppen gibt, bei denen die Wahlbeteiligung noch geringer ausfällt.

Vielleicht haben 16-Jährige einfach keine Interesse?

Und er fragt, ob die Wahlbeteiligung nicht ohnehin schwankend ist, je nachdem, ob der Ausgang offen ist oder ob schon klar ist, wer Regierungschef wird? „Vielleicht liegt die geringe Wahlbeteiligung ja daran, dass 16-Jährige kein Interesse an den Wahlen haben. Man setzt das Wahlalter herunter und wundert sich dann, dass sie nicht wählen“, sagte er.

Der Präsident fragte zudem, warum nun ausgerechnet die Schüler bevorzugt werden sollen. „Wieso stellt man solche Briefwahlzentren nicht in Jobcentern auf, da Leistungsbezieher auch selten wählen“, sagte er. Es gebe viele andere Gruppen mit Menschen, die selten von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.

Michael Weiß von der Bürgerschaft erklärte das Bemühen um die Jungwähler mit der Annahme, dass die Teilnahme an der ersten Wahl darüber entscheide, ob junge Menschen auch künftig ihre Stimme abgeben. Er sprach in diesem Zusammenhang von „Wahlbiografien“.

Gruppendruck im Unterricht

Aber es gibt noch weitere Probleme. Die Schulen in Bremerhaven mit Schülern dieser Altersgruppe sind in Mitte konzentriert. Dadurch werden alle anderen Stadtteile benachteiligt. Und: Wie soll sichergestellt werden, dass die Schüler nicht ihre Wahlunterlagen abholen und dann zusammen auf dem Schulhof als Gaudi ausfüllen? Noch schlimmer: „Einer sagt dem anderen, wenn er wählen soll“, sagte Sperlich. Was ist mit Gruppendruck, wenn das Thema im Unterricht besprochen wird?

Das Justizressort hält nichts von den Plänen. Und Landeswahlleiter Andreas Cors schlägt sogar die Hände über dem Kopf zusammen. 50 Briefwahlzentren mit Helfern und Technik eine Woche lang auszustatten, sei ein enormer Aufwand, der in keinem Verhältnis zur Größe der Wählergruppe stehe. Ob das die Richter genau so sieht, wird sich am 8. Mai zeigen. Dann gibt es die Entscheidung.

Klaus Mündelein

Reporter

Klaus Mündelein kümmert sich im Bremer Büro um die Landespolitik. Er hat in Münster studiert und volontiert und kam vor fast 30 Jahren zur Nordsee-Zeitung.

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