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Vom großen Segen des Acht-Stunden-Arbeitstages

Vom großen Segen des Acht-Stunden-Arbeitstages

Lust auf eine kleine Geschichtsstunde? Am 23. November 1918, also vor genau 105 Jahren, wurde der Acht-Stunden-Tag in Deutschland eingeführt. Und das kam so: Ende des 19. Jahrhunderts schuften sich die Arbeiter in den Fabriken regelrecht zu Tode. Limits gibt es kaum, Lebenszeit ist weitgehend Arbeitszeit. Reichskanzler Otto von Bismarck zeigt sich ob dieser Nöte verständnisvoll. „Wer empfindet nicht das Bedürfnis zu helfen, wenn er den Arbeiter gegen den Schluss des Arbeitstages müde und ruhebedürftig nach Hause kommen sieht“, sagt er 1885 in einer Rede im Parlament.

„Wie dies aber gemacht werden soll“ - da hat Bismarck auch keinen Plan. Denn auch für ihn wiegen Staats- und Unternehmensinteressen mehr als die Sorgen des kleinen Mannes an der Stanze. „Die Spitze unserer Industrie ist die Exportindustrie“, sagt der Kanzler schon damals. Und die dürfe nicht leiden.

Die sich von England aus ausbreitende Industrialisierung kennt in Bezug auf tägliche Arbeitsstunden ohnehin kein Pardon. 15 Stunden sind im Mutterland der kapitalistischen Ausbeutung keine Seltenheit, auch Kinder müssen in die Stollen.

Im sächsischen Crimmitschau sind die Weberinnen gezwungen, schon ihre Säuglinge in 1,20 m lange Kisten neben dem Webstuhl zu verfrachten, wo sie elf Stunden verharren müssen. 1903 kommt es hier zum größten Textilarbeiterstreik im Deutschen Kaiserreich mit dem Ziel kürzerer Arbeitszeiten. Er wird nach fünf Monaten ergebnislos beendet, aber die Unternehmer begreifen, dass es für sie schwerer wird. Robert Bosch führt drei Jahre später freiwillig den Acht-Stunden-Tag ein - auch und gerade zur Sicherung der Arbeitsproduktivität.

Trotz weiterer Streiks dauert es bis zu den revolutionären Umstürzen nach dem Ersten Weltkrieg und bis zur Weimarer Republik, bis der Acht-Stunden-Tag in der Gesetzgebung verankert wird. Unter Friedrich Ebert, der auch das Frauenwahlrecht einführt und die Zensur abschafft, ergeht am 23. November 1918 eine Verordnung zur Regelung der Arbeitszeit. Aber schon fünf Jahre später beginnen Ausnahmeregelungen die Verordnung aufzuweichen.

1949 führt der Alliierte Kontrollrat den Acht-Stunden-Tag wieder ein, allerdings von Montag bis Samstag.

In der Bundesrepublik schreiben die Gewerkschaften den Acht-Stunden-Tag – und die 35-Stunden-Woche – wieder auf ihre Fahnen. Aber es dauert bis 1994, bis dieser auch gesetzlich festgeschrieben wird.

Und heute? Ist der Acht-Stunden-Arbeitstag für die Allermeisten von uns eine Selbstverständlichkeit. Und für Sie?

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