Bremerhaven

Penny-Aktion „Wahre Preise“ fällt bei den Kunden in unserer Region durch

Mit der Aktion „Wahre Preise“ will der Discounter Penny zeigen, wie teuer Lebensmittel wären, wenn ihre Umweltfolgen mit bepreist würden. Bei den Kunden in der Region kommt das nicht gut an - sie hätten schon genug mit der Inflation zu tun.

Werbeaktion des Lebensmittel-Discounters Penny an der Hafenstraße zu Produkten mit "Wahren Kosten".

Die Werbeaktion des Lebensmittel-Discounters Penny zu „Wahre Kosten“ der Produkte ist auch an der Filiale an der Hafenstraße zu sehen. Foto: Arnd Hartmann

Die Aktion „Wahre Preise“ von Penny wird derzeit bundesweit heiß diskutiert. Der Discounter gibt an, damit auf die Umweltkosten von Produkten aufmerksam zu machen, die sich normalerweise in keinem Preis wiederfinden.

Auch beim Penny-Markt in der Hafenstraße fällt sofort der Aufsteller ins Auge, der auf dem Vorplatz auf die bundesweite Aktion aufmerksam macht. Neun Produkte aus dem Sortiment sind teils mehr als 90 Prozent teurer. Dazu zählen zum Beispiel Wiener Würstchen, die nun 6,01 Euro statt 3,19 Euro kosten, aber auch Mozzarella und Maasdamer. Penny gibt an, die Mehreinnahmen aus der Aktion zu spenden.

„Ich muss jeden Monat genau rechnen“ - die Aktion

 Silvia Fräßdorf. 

Silvia Fräßdorf. Foto: Arnd Hartmann

Silvia Fräßdorf aus Lehe hat gerade ihr Fahrrad abgestellt. „Ich muss jeden Monat genau rechnen“, erklärt die 66-Jährige. Sie schaue genau auf jeden Euro. Manche Dinge - wie etwa der Kauf frischer Blumen - sei schon länger nicht mehr drin. Dass Penny nun auch noch neun Produkte derart im Preis erhöhe, sorgt bei ihr für Unverständnis. Sie werde jedenfalls in dieser Woche auf den Käse verzichten - der werde nicht im Einkaufskorb landen.

 Christel Kückens. 

Christel Kückens. Foto: Arnd Hartmann

Bei den aktuellen Lebensmittelpreisen verdüstert sich die Miene

Christel Kückens sieht das ganz ähnlich. Die 85-Jährige hat ihre Einkäufe gerade erledigt. Einerseits sei die Aktion ja gut gemeint, sagt sie, andererseits führe es dazu, dass sie als Rentnerin und viele andere Menschen sich diese Produkte bald oder schon jetzt nicht mehr leisten könnten.

 Sergej Nikolajev

Sergej Nikolajev. Foto: Arnd Hartmann

Sergej Nicolajev schiebt einen Kinder-Buggy aus dem Discounter, in dem sitzt ein Kind und hält fröhlich einen Teil der Einkäufe in der Hand. Nicolajevs Miene verdüstert sich allerdings beim Thema Lebensmittelpreise. Man müsse sich doch in Bremerhaven mal umschauen, so viele Menschen lebten vom Bürgergeld oder vom Mindestlohn.

Gleichzeitig würden Lebensmittel immer teurer. „Das ist doch nicht richtig“, sagt er und schüttelt den Kopf. Mit dem Land, in das er vor 25 Jahren gekommen sei, gehe es gerade kräftig bergab, findet der aus Russland stammende Bremerhavener.

Überhaupt fragen sich auch andere Kunden, ob Penny nicht den falschen Zeitpunkt gewählt habe - jetzt, wo die Inflation sowieso vielen ins Geld gehe.

„Das ist doch Greenwashing“ findet ein Kunde

Ein Kunde, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, findet es prinzipiell richtig, bei Lebensmitteln auf Nachhaltigkeit und deren Umweltauswirkungen zu achten. Doch bei Penny sei das nur „Greenwashing“, so seine Meinung. Das ist der Begriff dafür, wenn Unternehmen ein grünes Deckmäntelchen präsentieren, um im Hintergrund weiter auf Kosten der Umwelt zu wirtschaften.

Kunden im Landkreis sind ebenfalls nicht begeistert

Szenenwechsel. Wie denken die Menschen im Landkreis darüber - sehen sie es anders als die Bremerhavener? Zumindest beim Penny-Markt in Bad Bederkesa ist es ebenfalls schwer, lobende Stimmen zu finden. Yvonne Müller aus Lamstedt weiß nicht so richtig, wie sie die Aktion finden soll.

Es mache schon Sinn, auf der anderen Seite müssten die Preise auch im Rahmen bleiben, überlegt sie beim Einräumen des Einkaufs. Es sei ja sowieso schon alles teurer geworden. Würde sie die verteuerten Produkte kaufen? „Nein, die würde ich liegen lassen.“

„Man muss genau gucken, was dahintersteckt“

Urlauber Harro Knapp kommt mit seinem Enkel gerade vom Campingplatz auf den Parkplatz des Pennys in Bad Bederkesa gerollt. Er würde die doppelt so teuren Wiener Würstchen nur kaufen, wenn er wirklich Appetit darauf hat - im Normalfall wohl aber auf sie verzichten. Als Frührentner spielt der Preis beim Einkauf eine große Rolle, erzählt er. Wenn sie wirklich der Umwelt zugutekommt, finde er die Aktion trotzdem gut. „Aber da muss man genau gucken, was dahintersteckt.“

„Irgendwo muss der Erzeuger ja das Geld haben, andererseits haben die Discounter über lange Zeit die Preise in den Keller gedrückt“, überlegt ein Cuxländer hinterm Steuer. Ob er die teurer gewordenen Produkte kaufen würde? Das erledige seine Frau, die gerade den Einkauf in Tüten im Kofferraum einsortiert. Die meint: Nein. „Das wäre mir einfach zu teuer.“

Über die Autoren

Katja Gallas

Reporterin

Katja Gallas ist seit Januar 2022 als Reporterin im Cuxland unterwegs. Nach ihrem Studium der Skandinavistik und Europäischen Ethnologie in Freiburg und dem Master Kultur – Sprache – Medien in Flensburg, volontierte sie bei der NZ und arbeitete als Online-Redakteurin.

Jens Gehrke

Reporter

Jens Gehrke wurde in Bremerhaven geboren und ist seit 2011 im Verlag. Der Reporter, Jahrgang 1984,  fühlt sich im Cuxland genauso zu Hause wie in der Seestadt. Der Schwerpunkt liegt auf der Politik-Berichterstattung. Privat interessiert ihn vor allem der Sport.

Inga Hansen

Reporterin

Inga Hansen, Jahrgang 1962, arbeitet seit 1993 als Redakteurin in der Landkreis-Redaktion der NZ. Zuvor hat die gebürtige Ratzeburgerin in Hamburg Politikwissenschaft und Öffentliches Recht studiert. Ihr Interesse gilt neben der Politik Pop-Musik, Literatur und Filmen.

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