Zeven

Kompetente Hilfe, wenn es in der Schuldenspirale abwärts geht

Es gibt viele Gründe, warum Menschen nicht mehr in der Lage sind Miete, Stromrechnungen, Handyabschläge oder Kreditraten zu bezahlen. Sicher ist, dass es immer mehr werden, weiß Stefanie Söhl von der Schuldnerberatung der Diakonischen Werke.

Schuldnerberatung

Corona, steigende Energiekosten, Inflation: Der Bedarf an Schuldnerberatungen im Landkreis Rotenburg hat deutlich zugenommen. Foto: picture alliance/dpa

Einen Anstieg von rund 20 Prozent verzeichnet die Arbeitsgemeinschaft der Kirchenkreise Bremervörde-Zeven und Rotenburg. „Wir bekommen auch immer wieder Anfragen aus den umliegenden Landkreisen, weil die Beratungsstellen dort zum Teil sehr lange Wartezeiten haben“, berichtet Stefan Söhl. Termine in Bremervörde oder Zeven versucht sie innerhalb von 14 Tagen zu sichern. „Aus Erfahrung weiß ich, dass die Anfragen nach Terminen oft erst dann gestellt werden, wenn den Schuldnern das Wasser bis zum Hals steht. Dann ist schnelle Hilfe gefragt.“

Um das Zeitfenster einhalten zu können, werden daher auch nur Anfragen aus dem Landkreis Rotenburg angenommen. Die Beratungen sind übrigens kostenfrei und unabhängig von der Kirchenzugehörigkeit.

Die Ursachen für Überschuldung sind vielfältig

Die Frage, warum Menschen sich so hoch verschulden, dass die private Insolvenz droht, lässt sich nicht mit einem Satz beantworten, meint Stefan Söhl. „Oft sind persönliche Probleme der Auslöser. Eine Scheidung oder Krankheit, die zur Erwerbsunfähigkeit führt, Sucht- oder psychische Probleme können der Einstieg in die Schuldenspirale sein.“

Die erste Kontaktaufnahme erfolgt in der Regel telefonisch, informiert die Schuldenberaterin über den Ablauf eines Gespräches. „Ich lasse die Menschen erst einmal erzählen. Versuche, mir anhand des Lebenslaufes ein Bild zu machen.“ Dabei sei es wichtig, ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen, denn das sei entscheidend für den weiteren Verlauf. „Es ist ja nicht so einfach, bei einer Beratungsstelle anzurufen und einem völlig fremden Menschen tiefe Einblicke in sein Leben zu gewähren“, weiß Stefanie Söhl.

Kredite können nicht zurückgezahlt werden

Es geht häufig nicht nur darum, die Schulden in den Griff zu bekommen, sondern auch darum, an den Ursachen zu arbeiten. Denn wenn eine Spielsucht zum Beispiel nicht therapeutisch behandelt wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Schulden wieder überhandnehmen.

Aktuell geraten viele Menschen ans absolute Limit, weil sie ein finanzielles Konstrukt aufgebaut haben, dass bei stark gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht mehr zu halten ist. „Wer zu Beginn der Pandemie gerade so über die Runden gekommen ist, hat keine Chance gehabt, sich ein Polster aufzubauen. Dann kam Kurzarbeit und ein Kredit sollte kurzfristig die finanzielle Lücke füllen. Jetzt bleibt durch die hohen Energiekosten nicht mehr genug, um den Kredit zu bedienen und das fragile Gebilde bricht zusammen.“

Ein Leben auf Pump rächt sich

Stefanie Söhl kritisiert dabei, dass Kredite viel zu einfach gewährt werden. „Die Banken ziehen sich immer weiter aus der persönlichen Beratung zurück und das Internet verspricht schnelle und unkomplizierte Auszahlung.“

Gerade junge Menschen werden dazu verleitet, den Urlaub, das erste Auto oder die Einrichtung der Wohnung mit einem Kredit zu finanzieren. Dabei vergessen sie oft, dass mit diesen Krediten Zinsen anfallen und Kredite, die nur mit kleinen Raten abgestottert werden, eine lange Laufzeit haben.

Dann wird für den Urlaub im nächsten Jahr wieder ein Kredit aufgenommen, obwohl der erste noch nicht abbezahlt ist. Onlineshoppen, Zahlungsdienste, die erst später das Geld fordern, Kredite, Handyverträge - Fallstricke gibt es viele. „Junge Erwachsene verlieren oft den Überblick, wo sie überall Geld ausgeben.“

Bestandsaufnahme ist der erste Schritt

Hat ein Schuldner den ersten Kontakt zur Beratungsstelle aufgenommen, wird im persönlichen Gespräch eine Strategie erarbeitet. Bei einer Trennung müssen die Unterhaltsfragen geklärt werden und dann geht es darum, ob Vermögen, zum Beispiel Lebensversicherungen oder ein Haus, da ist. Stefanie Söhl verschafft sich einen Überblick, gibt Tipps und vermittelt bei Bedarf auch einen Rechtsanwalt.

„Kommt es zur Privatinsolvenz, begleite ich die Betroffenen durch das Verfahren, das im Privatfall drei Jahre dauert“, informiert die Beraterin. Danach tritt die Restschuldbefreiung in Kraft. Während der Insolvenz werden Beträge, die oberhalb der Pfändungsfreigrenze liegen, zur Tilgung der Schulden einbehalten. Wie hoch dieser Freibetrag ist, ist in der Pfändungstabelle festgelegt. Bei einer alleinstehenden Person, die keinen Unterhalt zu zahlen hat, sind das 1339,99 Euro netto. Liegt das Gehalt unter dieser Grenze, findet auch keine Pfändung statt.

Ein Beruf, der sehr dicht am Menschen ist

Stefanie Söhl berät schon seit zwölf Jahren Schuldner im Diakonischen Werk. Nach einer Ausbildung in der Verwaltung war sie Standesbeamtin, bevor sie sich zur Schulden- und Insolvenzberaterin hat ausbilden lassen. Sie sieht diesen Beruf als Berufung. Manchmal melden sich Menschen, die sie durch diese Zeit begleitet hat, und danken ihr für die Unterstützung. „Das bestärkt mich und zeigt mir, dass es schön ist, Menschen helfen zu können.“

Schuldnerberatung

Die Schuldnerberatung:
  • kostenlos
  • vertraulich
  • unabhängig von der Kirchenzugehörigkeit
  • telefonisch, online und persönlich
  • übernimmt keine Schulden, vergibt keine Darlehen
  • ist keine Rechtsberatung

Sabine Hennings

Reporterin

Sabine Hennings wurde in Hamburg geboren. Sie arbeitet seit 2001 für die Zevener Zeitung, seit 2015 als Redakteurin. Sabine hat Kommunikationsdesign in Hamburg studiert.

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