Bremerhaven

Blinder Passagier ab Bremerhaven: Dieser Mann zahlte sein Abenteur fast mit dem Leben

Franz Schmölzer stammt aus Österreich, doch als junger Mann wollte er unbedingt zur See fahren. Er kam nach Bremerhaven, entdeckte das elegante Auswandererschiff „Skaubryn“ und schlich sich an Bord. Diese Entscheidung hätte ihn fast das Leben gekostet.

Den Rettungsring hat Franz Schmölzer von einem Flohmarkt in Hamburg. Er ließ sich den Namen und die wichtigsten Jahreszahlen der „Skaubryn“ aufdrucken.

Den Rettungsring hat Franz Schmölzer von einem Flohmarkt in Hamburg. Er ließ sich den Namen und die wichtigsten Jahreszahlen der „Skaubryn“ aufdrucken. Foto: privat

Ein großes Foto seiner „Skaubryn“ hängt bei Franz Schmölzer (85) in Riedtstadt bei Darmstadt in der Wohnung. Es war eben das erste Schiff für den jungen Mann. Er hatte Bootsbauer und Zimmermann gelernt, doch er wollte aufs Meer, die Welt entdecken. Schmölzer versuchte mehrmals, irgendwo anzuheuern, sogar am Nord-Ostsee-Kanal. „Die erste Frage war immer, ob ich ein Seefahrtsbuch hätte, hatte ich aber nicht“, erzählt er.

Im Herbst 1956 fiel dem 19-Jährigen in Bremerhaven die „Skaubryn“ auf. Sie war damals regelmäßiger Gast an der Columbuskaje, erinnert sich Schmölzer. Es war die letzte große Welle der Auswanderung über Bremerhaven. Der vom Krieg zerstörte Kontinent bot vielen Menschen keine Perspektive. Die USA, Kanada und Australien dagegen lockten mit weitem Land und der Aussicht auf Arbeit. Allein in den 1950er Jahren wanderten knapp eine halbe Million Menschen per Schiff über Bremerhaven aus.

Kleine Auswandererwelle

Die norwegische „Skaubryn“ war eines der letzten Auswandererschiffe, das von Bremerhaven aus verkehrte.

Mit einer Besucherkarte gelangte Schmölzer an Bord und blieb einfach dort, als das Schiff ablegte. In Dover wurde der blinde Passagier erwischt. „Aber es war zu spät. Sie konnten mich nicht mehr absetzen.“ Schmölzer fuhr mit nach Australien und zurück. Ein paar Jahre später wurde er Teil der Besatzung, dieses Mal ganz offiziell. Dass die letzte Fahrt der „Skaubryn“ am 14. März 1958 an der Columbuskaje in Bremerhaven beginnen sollte, ahnte niemand. 1.000 Auswanderer und 200 Besatzungsmitglieder waren an Bord.

Das Auswandererschiff „Skaubryn“ lag häufiger an der Columbuskaje in Bremerhaven.

Das Auswandererschiff „Skaubryn“ lag häufiger an der Columbuskaje in Bremerhaven.

Gute zwei Wochen später auf dem Weg nach Australien, im Golf von Aden, brach plötzlich ein Feuer im Maschinenraum aus. Die Flammen breiteten sich aus. Der Brand war nicht zu löschen. Der Kapitän gab das Kommando zum Verlassen des Schiffes. Als der Feueralarm losging, stand Schmölzer gerade unter der Dusche. Schnell zog sich der Leichtmatrose an und lief zu seiner Station: Rettungsboot Nummer 16, backbord achtern.

Es war der 31. März 1958. Der Tag hat sich in das Gedächtnis von Schmölzer eingebrannt. Deshalb möchte er 65 Jahre nach dem Untergang der „Skaubryn“ ein Treffen der noch lebenden Crew-Mitglieder in Bremerhaven organisieren.

Dramatische Rettung auf gekentertem Rettungsboot

Die Besatzung hatte Probleme, das Rettungsboot Nummer 16 abzusetzen. „Wir haben es dann runtergeschmissen. Es schwamm kieloben im Wasser“, erzählt Schmölzer. In seiner Not sprang er hinterher ins Wasser. Irgendwann saß er mit anderen Überlebenden rittlings auf dem Rettungsboot. Dann wurden sie von anderen Rettungsbooten übernommen. Ein englischer Frachter pickte die Schiffbrüchigen schließlich auf. Vom Untergang ihrer „Skaubryn“ hörten sie im Radio. „Wir waren schon zu weit weg, um es zu sehen“, erzählt Schmölzel. Es schmerzt immer noch. Doch alle Passagiere und alle Crewmitglieder waren gerettet worden. Nur ein Passagier hatte einen Herzinfarkt. Er starb noch im Rettungsboot.

Dem „Skaubryn“-Kapitän noch immer in Freundschaft verbunden

Schmölzel fuhr noch ein paar Jahre weiter zur See, lernte seine Frau in Bremerhaven kennen und arbeitete im Hafen. Später wechselte er zum Frankfurter Flughafen. Seiner Liebe zum Meer blieb er treu. Denn er entdeckte das Segeln für sich, machte alle Hochsee-Segelscheine und besuchte sogar mit seiner Crew und einer in Dänemark gecharterten Segelyacht den ehemaligen Staff-Kapitän der „Skaubryn“, John Gundersen aus Oslo, der heute 98 Jahre alt ist und mit dem er immer noch freundschaftlich verbunden ist.

Treffen der Besatzung

Schon zum 50. Jahrestag des Untergangs der „Skaubryn“ organisierte Franz Schmölzer ein Crewtreffen in der Fischerklause in Wremen. Damals war sogar der ehemalige Staff-Kapitän John Gundersen aus Oslo dabei. Nun 65 Jahre nach dem Schiffsunglück lädt Schmölzer wieder in Bremerhaven ein. Wer Interesse hat, kann sich mit Franz Schmölzer in Riedstadt unter 06258/72166 oder per E-Mail an nordic-sailor@gmx.de in Verbindung setzen.

Franz Schmölzer an Bord eines Schiffes

Wollte unbedingt zur See fahren: Franz Schmölzer an Bord eines Schiffes. Der Österreicher erfüllte sich seinen Traum in den 1950er und 1960er Jahren. Foto: privat

Ursel Kikker

Reporterin

Ursel Kikker kommt aus der Wesermarsch, liebt das Meer und berichtet gerne darüber, wenn die Wissenschaft für frischen Wind an der Küste sorgt. Sie hat bei der NORDSEE-ZEITUNG volontiert und ist nach dem Studium dorthin zurückgekehrt.

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