Bremerhaven Medizinische Versorgung

Gesundheitsamts-Leiter Möckel verlässt Bremerhaven: Ich gehe schon mit Trennungsschmerz

Von der Nordsee an die Ostsee: Der Leiter des Gesundheitsamtes, Ronny Möckel, verlässt nach über zehn Jahren Bremerhaven. Der 51-Jährige wechselt nach Rostock. Im Interview erklärt er die Gründe und blickt zurück.

Ronny Möckel, Leiter des Gesundheitsamtes Bremerhaven

Abschied mit Wehmut: Ronny Möckel geht nach Rostock und damit zurück in sein Heimatland Mecklenburg-Vorpommern. Foto: Scheschonka

Warum verlassen Sie Bremerhaven? Ich habe gar nicht gesucht. Es war Zufall, dass ich über die Stellenanzeige gestolpert bin. Die berufliche Zufriedenheit in Bremerhaven war groß. Ich konnte viel gestalten. Es war daher nicht so, dass ich mich beruflich verändern wollte. Aber es hat immer eine Rolle gespielt, dass wir mit der Familie wieder Richtung Heimat ziehen wollen. Ich komme gebürtig aus Neubrandenburg, meine Eltern sind jetzt viereinhalb Stunden weg. Künftig sind es nur noch anderthalb Stunden. Das ist ein großer Unterschied.

Wie fühlt es sich an, Bremerhaven nach mehr als zehn Jahren den Rücken zu kehren? Ich freue mich auf Rostock und die Nähe zur Heimat. Aber ich gehe schon mit Trennungsschmerz. Schon weit vor Corona haben wir erkannt, dass wir im Gesundheitsamt einen Modernisierungsstau haben – digital, organisatorisch und strukturell. Wir müssen das Gesundheitsamt zukunftsfest aufstellen.

Diesen Prozess jetzt mittendrin zu verlassen, ist schwierig. Die Stadt wird die Entscheidung treffen müssen, wohin sich das Gesundheitsamt entwickeln soll. Will man eine kleine Lösung und viel an Dritte übertragen? Oder schafft man ein großes Gesundheitsamt mit noch mehr Dienstleistungen? Wollen wir etwa künftig auch Medizinische Fachangestellte ausbilden?

Macht bei einer großen Lösung nicht der Fachkräftemangel einen Strich durch die Rechnung? Er macht es zumindest schwierig. Wir konnten neues Personal gewinnen, aber nicht genug. Etwa die Hälfte der Arztstellen ist unbesetzt. Fachärzte im Gesundheitsamt bekommen zwar inzwischen durch Tariferhöhung und kommunale Zulage 1300 Euro brutto mehr im Monat. Trotzdem verdienen sie immer noch bis zu 1500 Euro netto weniger als ihre Kollegen in den Krankenhäusern. Bislang haben wir keine vergleichbare Bezahlung und damit keine Konkurrenzfähigkeit. Hinzu kommt, dass wir schon vor der Pandemie jenseits der Belastungsgrenze waren.

Als Leiter des Krisenstabes haben Sie Bremerhaven durch die Pandemie geführt. Wie lautet Ihre Bilanz? Ich bin zufrieden und bis heute davon überzeugt, dass wir Menschenleben retten konnten. Wir haben es von Anfang an geschafft, vor die Lage zu kommen. Bei uns gab es in der ersten Welle keine massenhaften Ausbrüche in Pflegeheimen. Wir waren zwar oft dicht dran, dass in den Krankenhäusern keine Corona-Patienten mehr versorgt werden konnten, aber das konnten wir immer noch gut managen. Weit vor dem Robert-Koch-Institut haben wir Empfehlungen zur vorsorglichen Isolation von Pflegeheim-Bewohnern gegeben, wenn diese aus Kliniken zurückverlegt wurden. Die Strukturen in Bremerhaven sind gut und haben uns sehr geholfen, durch die Pandemie zu kommen. Das wird auch bei künftigen Krisen helfen: Denn die nächste Pandemie kommt bestimmt.

Wie schätzen Sie die aktuelle Corona-Lage ein? Die Erkältungssaison kommt. Zwei Dinge machen mir Sorgen: Wir haben keine Verbesserung im medizinischen Versorgungssystem, weder ambulant noch stationär. Wegen des Fachkräftemangels erleben wir eher eine zunehmend angespannte Versorgungslage. Parallel gibt es vermutlich immer noch einen Nachholeffekt, was Erkältungserkrankungen betrifft, aber wir haben keine Schutzmaßnahmen mehr. In Australien kam es im dortigen Winter vermehrt zu Infektionen mit einem Stamm des H1N1-Influenzavirus. Es kann sein, dass auch wir damit in der kommenden Wintersaison ein Problem bekommen. Insgesamt kann das dazu führen, dass wir wieder an die Kapazitätsgrenzen kommen. Das betrifft die Erwachsenen, aber auch die Kinder. Wir müssen da mit Sorge hinschauen.

Stichwort Ärztemangel: Wie weit sind die Pläne für ein Medizinisches Versorgungszentrum mit angestellten Ärzten? Es gibt erste konzeptionelle Überlegungen, was man tun könnte. Machen wir eine große Gemeinschaftspraxis oder ein ambulantes Krankenhaus? Auch dazwischen gibt es mehrere diskutierte Möglichkeiten.

Es hängt jedoch viel von der Unterstützung durch das Land ab. Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard sagt, die Pläne dafür liegen in der Schublade. Wir kennen die Pläne nicht.

Wie bekommen wir mehr Ärzte nach Bremerhaven? Im Prinzip haben wir gar keine schlechten Karten. Ein Arzt bekommt hier genauso viel Geld für einen behandelten Patienten wie in Düsseldorf, aber die Lebenshaltungskosten sind viel geringer. Natürlich gibt es Faktoren, die Akademiker hemmen, zu uns zu kommen, zum Beispiel die Wahrnehmung des Schulsystems und der sozialen Lage. Daher sollte die Stadt mehr mit der attraktiven Region werben. Wie wäre es mit „Leben in der Region und arbeiten in Bremerhaven“? Wir würden außerdem davon profitieren, wenn wir in irgendeiner Form eine medizinische Fakultät hätten. So fehlt der Klebeeffekt. Nehmen wir etwa die hessische Universitätsstadt Marburg, wo ich Medizin studiert habe: Das Gesundheitsamt dort hat keine Probleme, Stellen zu besetzen.

Ronny Möckel

Ronny Möckel leitete mehr als zehn Jahre das Gesundheitsamt Bremerhaven. Foto: Scheschonka

Denise von der Ahé

Reporterin

Redakteurin/Korrespondentin im Bremer Büro der NORDSEE-ZEITUNG. Kam nach Stationen bei der Saarbrücker Zeitung und der Braunschweiger Zeitung immer weiter Richtung Norden. Sie berichtet aus Bremen über alles, was dort entschieden wird und für Bremerhaven spannend und wichtig ist.

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