Bremerhaven

Nun droht eine Klagewelle gegen die Ausbildungsabgabe in Bremerhaven und Bremen

Droht jetzt eine Klagewelle der Betriebe vor dem Verwaltungsgericht? Der Staatsgerichtshof hat am Montag die umstrittene Ausbildungsplatzabgabe als verfassungsgemäß eingestuft. Allerdings sahen das drei der sieben Richter komplett anders.

Richter und Anwälte stehen sich gegenüber

Die Handelskammer ist mit ihrer Klage gegen die Ausbildungsplatzabgabe gescheitert: Der Staatsgerichtshof stuft sie als verfassungskonform ein. Allerdings zeigte er sich selbst gespalten. Foto: Focke Strangmann

Laut Staatsgerichtshof ist die Ausbildungsplatzabgabe mit der Verfassung vereinbar. Nachdem Peter Sperlich als Präsident des obersten Verfassungsgerichts im Land Bremen sehr umfangreich die Entscheidung begründet hatte, übergab er das Wort an seinen Kollegen Stephan Haberland. Der erläuterte dann, warum er und die Gerichtshofmitglieder Sabine Schlacke und Dieter Riemer aus Bremerhaven das komplett anders sehen.

Ihrer Meinung nach ist die Ausbildungsplatzabgabe eben nicht verfassungskonform. Und ihre Argumente werden sich viele Betriebe, die ab Beginn des kommenden Jahres die Abgabe bezahlen müssen, genau anschauen. Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, erwartet etliche Klagen der Betriebe, wenn die Bescheide eintreffen.

Hilfe für kleine Handwerksbetriebe

Trotz aller Proteste aus der Wirtschaft hatte der Senat die Ausbildungsplatzabgabe im Frühjahr vergangenen Jahres beschlossen. Die Abgabe müssen fast alle Betriebe zahlen. Mit dem Geld sollen die Unternehmen unterstützt werden, die viele junge Leute ausbilden. Kleine und mittlere Handwerksbetriebe hat die rot-grün-rote Koalition auf Landesebene im Blick, die es schwer haben, junge Menschen fachlich auszubilden und ihnen zusätzlich eine Erziehung zukommen zu lassen, die heutzutage oft genug im sozialen Umfeld ausbleibt. Deshalb sollen von dem Geld auch Berater bezahlt werden, die direkt in den Betrieben helfen.

Neben der Handelskammer hatten fünf weitere Kammern vor dem Staatsgerichtshof geklagt. Sie halten die Abgabe für verfassungswidrig, bürokratisch und wenig hilfreich bei dem Versuch, mehr Ausbildungsverhältnisse zu schaffen. Nach Ansicht der Mehrheit des Staatsgerichtshofs ist die Gestaltung der Ausbildungsplatzabgabe durch den Senat trotzdem nachvollziehbar. Eine willkürliche Festsetzung der Abgabenhöhe sei ausgeschlossen und das Ausmaß und der Zweck seien hinreichend bestimmt. Die Zahlen wiesen tatsächlich ein Mangel an Ausbildungsplätzen nach: Auf 100 junge Leute, die einen Platz suchen, kommen 91 Angebote.

Einige Behörden werden ausgenommen

Allerdings müssen nicht alle Unternehmen und Behörden die Abgabe bezahlen. So sind Behörden anderer Bundesländer wie das Finanzamt Wesermünde in Bremerhaven ausgenommen. Dieser Umstand hat das Gericht dann entzweit. Während die Mehrheit der Richter dafür genügend Spielraum sieht, ist für Haberland eine Grenze überschritten. „Sie sehen, das Gesetz ist politisch nicht leicht gewesen, und rechtlich auch nicht“, sagte Sperlich.

Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht zeigte sich enttäuscht von dem Urteil. Die Ausbildungsabgabe sei falsch. „Die Unternehmen wollen ausbilden. Was dagegen fehlt, sind ausbildungsfähige junge Menschen.“ Er rechnet ebenfalls mit Klagen der Handelskammer und der Betriebe vor dem Verwaltungsgericht.

Aus der Politik gab es etliche Bewertungen. Die FDP sprach vom „Schlag ins Gesicht der Bremer Unternehmer“. „Die Bestätigung des Ausbildungsfonds ist ein schwerer Schlag für alle Unternehmen“, hieß es bei der CDU. „Das ist ein guter Tag für Bremen und Bremerhaven – für die jungen Menschen, für die Fachkräfte von morgen“, hieß es hingegen bei der SPD. Die Linken werten die Entscheidung als Erfolg der Koalition. Das Gesetz müsse nun wie geplant umgesetzt werden, forderte die Arbeitnehmerkammer. Arbeitssenatorin Claudia Schilling (SPD) kündigte an, dass die Betriebe ab Anfang 2025 ihre Daten über ein digitales Meldeportal eintragen müssen.

Klaus Mündelein

Reporter

Klaus Mündelein kümmert sich im Bremer Büro um die Landespolitik. Er hat in Münster studiert und volontiert und kam vor fast 30 Jahren zur Nordsee-Zeitung.

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