Zehn Jahre Leselust in Beverstedt: Ein Bücherparadies mit 13.000 Exemplaren

Für Margret Siegel und Susanne Pross ist ein Buch viel mehr als sein Inhalt. „Es ist das Gefühl, wenn man es in der Hand hält, und sein Geruch“, meint Dr. Susanne Pross (72). Und Margret Siegel liebt zudem die Optik: „Es macht Spaß, ein Buch zu betrachten“, schwärmt die 79-Jährige. Kein Wunder, dass die beiden Frauen sich für das Lesen einsetzen: Sie sind Gründungsmitglieder des Beverstedter Vereins Leselust, der am 21. Oktober zehn Jahre alt geworden ist.

Dr. Susanne Pross (links) und Margret Siegel lieben Bücher und stöbern auch gerne selber in der Leselust. Den Verein haben sie vor zehn Jahren gegründet.

Dr. Susanne Pross (links) und Margret Siegel lieben Bücher und stöbern auch gerne selber in der Leselust. Den Verein haben sie vor zehn Jahren gegründet. Foto: Bohn


Der Verein hat seinen Sitz in der Logestraße 25 in Beverstedt. Vier Räume bieten dort Platz für 8000 Bücher, weitere 5000 liegen im Lager im Keller. Die Bücher sind gespendet und werden zum Preis von einem Euro wieder verkauft – so deckt der Verein seine laufenden Kosten für Heizung, Strom und Miete.

Der Bücherverkauf hat gleich einen doppelten positiven Effekt: „Niemand wirft gerne Bücher weg. Viele Leute sind froh, dass sie sie bei uns abgeben können“, sagt Susanne Pross. Und auch der Weiterverkauf hilft: „So können sich gerade junge Familien mit wenig Geld günstig mit Lesestoff versorgen“, ergänzt Margret Siegel. Aber auch viele andere freuen sich über dieses Angebot. Und der Verein erreicht so seine selbst gestellte Aufgabe: das Lesen zu fördern. „Wir leisten damit einen Beitrag für Literatur und Kultur“, sagt Susanne Pross.

Idee aus Großbritannien und Schweden mitgebracht

Sie ist vor zehn Jahren auf die Idee mit dem Bücherladen gekommen. „Ich war viel in Großbritannien und Schweden unterwegs. Da gibt es viele dieser kleinen Läden für Bücher und Antiquitäten, die von Ehrenamtlichen betrieben werden“, sagt sie. Das habe sie auch in Beverstedt schaffen wollen. Mithilfe der Landfrauen ging sie auf Mitstreitersuche – mit Erfolg. Auch Margret Siegel war sofort begeistert: „Ich hatte Lust, was Neues zu machen“, erzählt sie.

Mittlerweile hat der Verein 31 Mitglieder, der Jüngste ist 24 Jahre alt, der Älteste über 80. „Der Großteil ist aber 55 plus“, sagt Susanne Pross. Und sie sind aktiv in mehreren Arbeitsgruppen, wie in der Schaufenster- und Innengestaltung und in der Planung von Veranstaltungen. Das ist nämlich der zweite große Bereich, den der Verein zur Leseförderung abdeckt.

Lesungen mit regionalen Autoren

„Wir planen immer Anfang des Jahres unsere Lesungen mit regionalen Autoren und zu bestimmten Themen“, berichtet Susanne Pross. 80 Buchvorstellungen hat es so bereits in den vergangenen zehn Jahren gegeben. An Autoren sei von der 17-jährigen Schülerin mit ihrem ersten Roman bis zum über 80-jährigen Schriftsteller aus der Region alles dabei gewesen – auch bekanntere Autoren wie der Kriminalist Axel Petermann. „Wir hatten auch schon zwei Veranstaltungen mit Musik“, erzählt Susanne Pross. Immerhin finden in der Leselust 33 Leute Platz.

Beliebt sind auch Veranstaltungen für Kinder. „Die sind immer gut besucht“, freut sich Margret Siegel. Dabei wird aus einem Buch vorgelesen, darüber gesprochen, und die Kinder malen Bilder. Ein halbes Dutzend der jungen Leser finden bei diesen Veranstaltungen Platz. Und auch die Lesungen im Altenheim sind bei den Bewohnern beliebt.

Laden darf trotz strengerer Maßnahmen öffnen

„Leider hat uns Corona bei unseren Veranstaltungen einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht“, bedauert Susanne Pross. Diese seien vorerst ausgesetzt. Von März bis April musste auch der Laden schließen. „Zum Glück haben wir Zuwendungen aus dem Kulturtopf des Landes Niedersachsen bekommen“, sagt Susanne Pross. Und auch die Geburtstagsfeier ist dem Virus zum Opfer gefallen, soll aber nächstes Jahr nachgeholt werden.

Der Laden in der Logestraße kann aber unter Beachtung der Hygienevorschriften weiterhin öffnen: Montag bis Donnerstag, jeweils von 15 bis 18 Uhr sowie am Freitag zusätzlich von 10 bis 12 Uhr. Sonnabends ist die Leselust von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Immer zwei Vereinsmitglieder sind während der Öffnungszeiten vor Ort.

Die Auswahl ist groß. Immerhin gibt es Bücher in 32 Sachgebieten – bis hin zu Kunstbüchern. Davon ist besonders Margret Siegel begeistert: „Ich liebe diese Bücher“, schwärmt sie. Die Lieblingsecke von Susanne Pross ist indes der Vitrinenbereich. Dort liegen wahre Schätze, antiquarische Bücher. „Die findet man teilweise nicht mal mehr im Internet“, sagt sie.

Ihr Lieblingsbuch hier ist ein Tagebuch von deutschen Kriegsgefangenen in England, das 1914 erschienen ist. „Es ist wirklich interessant zu lesen, wie ihr Tagesablauf war und wie sie sich organisiert haben“, sagt sie. Die antiquarischen Bücher sind allerdings nicht für einen Euro zu haben. Doch derzeit gibt der Verein einen Geburtstagsrabatt.

Erst die Arbeit, dann das Lesen

Ein echtes Buch sei schon etwas anderes als die digitale Version auf dem E-Book-Reader, finden die beiden Frauen. Das sehen wohl auch viele andere so, denn der Laden ist recht gut besucht – wobei die Zahlen der Besucher aber stark schwankend sind. Doch egal, ob auf Papier oder digital – Margret Siegel und Susanne Pross sind sich sicher: „Lesen wird nicht aussterben.“ Immerhin kommen Menschen jedes Alters in den Laden – auch welche zwischen 20 und 40.

Die beiden Frauen sind mit Büchern aufgewachsen. „Bücher haben in meiner Familie Tradition: Meine Mutter war Buchhändlerin, mein Opa auch und mein Ururgroßvater Verleger“, erzählt Susanne Pross. Ihre Mutter habe immer dafür gesorgt, dass sie genug zu lesen hatte. Und ihr Lieblingsbuch? „Es handelte vom Kasperl und dem schönen Annerl. Das habe ich als Siebenjährige geliebt“, sagt sie.

Margret Siegel indes schwärmt für die Mecki-Bücher. „Mein Vater hat viel gelesen“, sagt sie. Einmal habe er ihr gesagt, dass ein bestimmtes Buch nichts für sie sei, erinnert sie sich: „Aber ich hatte es schon längst gelesen“, erzählt sie und lächelt verschmitzt. Ihre Mutter habe indes nicht gelesen, nur gebügelt.

Das sei auf dem Land auch so gewesen, bestätigt Susanne Pross: „Gelesen wurde erst, wenn die Arbeit getan war. Es war unmöglich, dass man schon morgens ein Buch las.“ Stimmt, meint Margret Siegel. Das war auch auf dem Lehrhof so, auf dem sie gearbeitet habe: „Da habe ich immer zügig gearbeitet und noch schnell ein, zwei Seiten gelesen. Und abends dann natürlich mit dem kleinen Klemmlicht auf dem Buch.“

Christoph Bohn

Senior Content Manager im Content Pool

Christoph Bohn, Jahrgang 1968, ist seit 2024 Senior Content Manager bei der NORDSEE-ZEITUNG. Aufgewachsen im Cuxland hat er Wirtschaftswissenschaft und Politik studiert und vor seinem Volontariat als Controller gearbeitet. Von 2000 bis 2023 war er Redakteur beim SONNTAGSjOURNAL.

0 Kommentare
PASSEND ZUM ARTIKEL

Butjadingen

Schriftstellerin stellt ihr neues Buch vor

Hagen

Konzert der Lehrkräfte der Musikschule Hagen-Beverstedt

Hagen

Berbel Häseker und Oliver Coordes lesen beim Vorlesefieber

nach Oben