Warum ich manche Komponisten an einen Marterpfahl binden möchte

Das gemeine an Ohrwürmern ist, dass es sich meistens um ausgerechnet solche Lieder handelt, die man nicht stundenlang im Kopf haben möchte. Besonders gut verstehen sich auf das Schreiben solcher Lieder die Komponisten von Musik für TV-Werbespots. Wenn ich sie höre, weiß ich immer nicht, ob ich die Komponisten zu ihrem großen Können beglückwünschen oder sie lieber an einen Marterpfahl binden möchte - weil sie mir nach jedem Fernsehabend den Schlaf rauben.

Platz 2 meiner aktuellen „Auf diesen Ohrwurm hätte ich gut verzichten können“-Liste belegt der Werbesong einer großen Baumarktkette. In den 90er-Jahren konnte man die Backstreet Boys unmöglich mögen. Bei ihrem späteren Comeback habe ich meinen Frieden mit ihnen gemacht. Aber muss denn aus „Everybody“ unbedingt der „Biber-Bonus“-Song werden?

Unangefochten auf Platz 1, und hier tendiere ich wirklich zum Marterpfahl, steht jedoch der Song aus einer aktuellen Rasierklingen-Werbung. Zu Bildern von erfolgreichen jungen Männern mit Gesichtern so glatt wie ein Kinderpo hört man die folgenden Textzeilen: „Du siehst gut aus. Man sieht‘s dir an. Du hast es weit gebracht.“ Dazu erklingt Musik, die es in Sachen Schmalz mühelos mit jedem fetttriefenden Berliner von der Jahrmarktbude aufnehmen könnte.

Dass den Männern in dem Spot das Glück aus jeder Pore scheint wie ein 500-Watt-Baustrahler, liegt natürlich einzig und allein daran, dass sie sich nass rasieren. Und schon weiß ich, was ich in meinem Leben falsch gemacht habe. Dass alles ganz anders gekommen wäre, wenn ich nur früh genug meinen Rasierapparat gegen einen Nassrasierer ebendieser Marke eingetauscht hätte. Das Beste im Mann - bei mir holt es niemand mehr raus. Zu spät, der Zug ist abgefahren.

Tut mir übrigens leid, wenn Sie jetzt ebenfalls einen Ohrwurm haben sollten. Halten Sie durch, irgendwann geht das wieder weg.