Neulich erzählte mir ein Freund von seiner Abstammung. Nein, nicht von seiner Ur-Oma und Ur-Opa; viel weiter zurück! Er war nämlich im Internet auf diese Ahnenforschungs-Anbieter gestoßen, die anhand von Speichel die Gene ihrer Kunden analysieren und herausfinden, aus welchen Regionen der Erde die Vorfahren abstammen. Klingt nach History-Fiction.
Das scheint der neueste Trend zu sein. In den sozialen Medien stolpere ich über Leute, die ihre Gene analysieren lassen und dann die Welt mit dieser Erkenntnis beglücken. Wenn Sie jemanden im Supermarkt treffen, fragen Sie sich, durch welche Gegenden seine Vorfahren vor 37.000 Jahren gestreift sind und von welchem Apfelbaum sie ihren Nachtisch gepflückt haben?
Die Ahnenforschung wird wohl noch mehr Fahrt aufnehmen, besonders jetzt, wo Hape Kerkeling in seinem neuen Buch „Gebt mir etwas Zeit“ darüber schreibt – auch wenn er die Schattenseiten nicht ausblendet. Kurzzeitig habe ich auch mir überlegt, ob ich diesen Test machen lassen sollte.
Aber dann habe ich mich dagegen entschieden. Dass unsere Abstammung in der Vergangenheit liegt, war schon immer eine vage Ahnung von mir; ich hätte nichts grundsätzlich Neues erfahren.
Außerdem: Welche Bedeutung hätten diese Erkenntnisse für die Gegenwart? Die moderne Forschung sagt, dass viele Europäer von anatolischen Einwanderern abstammen, die vor 8000 Jahren die Landwirtschaft nach Europa brachten. Und wenn man zeitlich noch weiter zurückgeht, stammen wir alle aus Ostafrika ab.
Kommt jemand deshalb heute auf die Idee, bei der heutigen tansanischen Regierung als Spätaussiedler einen Antrag auf Einbürgerung zu stellen? Eher nicht.

Ismail Kul Foto: Radoslaw Polgesek