Zigarettenpause vor einem Elektronikfachgeschäft in Spaden. Mitarbeiterin Katarzyna Szulinski steht draußen vor dem Eingang und wischt hektisch über den Bildschirm ihres Smartphones. Die 22-Jährige will nachschauen, welches Wort das Rennen um den Titel „Jugendwort des Jahres 2022“ gemacht hat. Der Langenscheidt-Verlag hatte das Ergebnis am Dienstagmorgen verkündet, doch die Nachricht war an der jungen Frau vorbeigegangen. Als sie sieht, welcher Kandidat gewonnen hat, schaut sie verwirrt: „Smash - im Ernst? Das hätte ich jetzt nicht erwartet“, sagt sie überrascht.
Langenscheidt hatte den anzüglichen Begriff nach mehreren Auswahlrunden einer Online-Umfrage unter Jugendlichen als Sieger ermittelt. Demnach gingen 43 Prozent aller abgegebenen Stimmen an „Smash“, was so viel bedeutet wie „jemanden abschleppen", „mit jemandem etwas anfangen" oder „mit jemandem Sex haben“. Der Ausdruck gehe laut dem Verlag auf das Datingspiel „Smash oder Pass“ zurück, bei dem Spieler einen potenziellen Partner angeboten bekommen und diesen entweder annehmen („Smash“) oder ablehnen („Pass“) können. Im Englischen bedeutet „to smash“ hingegen „zerschlagen" oder „zerschmettern".
Den Generationenwandel überdauert

Benutzt den diesjährigen Jugendwort-Sieger „Smash“ nicht: Katarzyna Szulinski. Foto: Pejic
Auch Szulinskis Kollege Cihad aus Delmenhorst, der sich für eine Zigarettenlänge zu der jungen Frau gesellt, kennt die drei diesjährigen Finalisten. Er persönlich nutze aber nur das Wort „Macher“. Neu sei dieser Ausdruck für ihn indes nicht: „Macher sagen die Leute doch schon seit etlichen Jahren, wenn sie von jemandem sprechen, der etwas anpackt“, sagt der 25-Jährige. Und auch „bodenlos“ sei kein Begriff, der explizit von jüngeren Generationen verwendet wird. Insgesamt findet Cihan die Auswahl der diesjährigen Jugendwort-Kandidaten „eher mau“.
Aufpassen, dass man es nicht übertreibt

„,Macher‘ sagen die Leute doch schon seit etlichen Jahren“: Cihad findet die Auswahl der diesjährigen Jugendwort-Kandidaten eher mau. Foto: Pejic
Im Gewerbepark Spaden kommt derweil Michael Pauluhn aus einem Möbelgeschäft. Der Bremerhavener hat nichts von dem Jugendwort-Wettbewerb mitbekommen, kennt weder die Finalisten noch den Sieger. Als wir ihn aufklären, zeigt auch Pauluhn sich zunächst skeptisch: „Es kommt natürlich darauf an, wer diesen Ausdruck benutzt und in welcher Situation. Ich kann mir vorstellen, dass junge Frauen es nicht unbedingt toll finden, wenn sie von jungen Männern hören, dass diese sie gerne ,smashen‘ möchten“, sagt der 53-Jährige lachend. Andererseits: „Welcher Erwachsene kann heute schon einschätzen, was die jungen Leute gut finden und was nicht.“ 43 Prozent seien jedenfalls ein klares Ergebnis. „Jede Generation hat ihre eigene Sprache, das war damals so, das ist heute so und es wird auch morgen so sein“, ist Pauluhn überzeugt. „Wir müssen nur aufpassen, dass wir damit nicht übertreiben.“ Eine allzu stark deformierte deutsche Sprache wäre für den Bremerhavener, der selber erwachsene Kinder hat, ein Graus.
Eine „bodenlose“ Frechheit

„Jede Generation hat ihre eigene Sprache“: Michael Pauluhn hat Verständnis für den Sprachwandel der Jugend, warnt aber davor, es zu übertreiben. Foto: Pejic
Sprache zum Davonrennen

Können den Jugendwörtern nicht viel abgewinnen: Annalina Astermann und ihr Partner Andy Hasenfuß aus Bispingen. Sie sind auf Urlaub im Cuxland. Foto: Pejic
Und auch Annalina Astermann und ihr Partner Andy Hasenfuß, die aus dem 240 Kilometer entfernten Bispingen kommen und ein paar Urlaubstage im Landkreis verbringen, können den Jugendwörtern nicht viel abgewinnen: „Diese ganzen neuen Ausdrücke sind für mich der absolute Absturz“, sagt Andy Hasenfuß auf dem Parkplatz vor einem Supermarkt. „Da tun einem vom bloßen Zuhören die Ohren weh.“ Zustimmung kommt von seiner Freundin: „Die zunehmende Verwahrlosung unserer Sprache ist für mich ein Spiegelbild der Verwahrlosung der Jugend“, sagt Annalina Astermann. „Und das können auch solche Wettbewerbe wie ,Jugendwort des Jahres‘ nicht kaschieren.“