Cuxland

Jugendwort des Jahres: Geteilte Meinungen im Cuxland

„Smash“ ist das Jugendwort des Jahres, das hat der Langenscheidt-Verlag am Dienstag bekanntgegeben. Was der Ausdruck bedeutet, was die Bürger im Landkreis von der Wahl halten und wie sie auf die heutige Sprache der Jugend blicken. Eine Umfrage.

Jugendwort des Jahres 2022

„Smash“ ist das Langenscheidt-Jugendwort des Jahres 2022. Unter Cuxländern und Bremerhavenern sind die Meinungen darüber geteilt. Foto: picture alliance/dpa/Deutsche Presse-Agentur GmbH

Zigarettenpause vor einem Elektronikfachgeschäft in Spaden. Mitarbeiterin Katarzyna Szulinski steht draußen vor dem Eingang und wischt hektisch über den Bildschirm ihres Smartphones. Die 22-Jährige will nachschauen, welches Wort das Rennen um den Titel „Jugendwort des Jahres 2022“ gemacht hat. Der Langenscheidt-Verlag hatte das Ergebnis am Dienstagmorgen verkündet, doch die Nachricht war an der jungen Frau vorbeigegangen. Als sie sieht, welcher Kandidat gewonnen hat, schaut sie verwirrt: „Smash - im Ernst? Das hätte ich jetzt nicht erwartet“, sagt sie überrascht.

Langenscheidt hatte den anzüglichen Begriff nach mehreren Auswahlrunden einer Online-Umfrage unter Jugendlichen als Sieger ermittelt. Demnach gingen 43 Prozent aller abgegebenen Stimmen an „Smash“, was so viel bedeutet wie „jemanden abschleppen", „mit jemandem etwas anfangen" oder „mit jemandem Sex haben“. Der Ausdruck gehe laut dem Verlag auf das Datingspiel „Smash oder Pass“ zurück, bei dem Spieler einen potenziellen Partner angeboten bekommen und diesen entweder annehmen („Smash“) oder ablehnen („Pass“) können. Im Englischen bedeutet „to smash“ hingegen „zerschlagen" oder „zerschmettern".

Den Generationenwandel überdauert

 Katarzyna Szulinski

Benutzt den diesjährigen Jugendwort-Sieger „Smash“ nicht: Katarzyna Szulinski. Foto: Pejic

Katarzyna Szulinski kennt den Ausdruck zwar vereinzelt aus ihrer Alltagswelt, benutzt ihn selbst aber nicht. Die beiden anderen Wörter, die es in die Endrunde des Jugendwort-Wettbewerbs geschafft hatten, dann aber den Kürzeren zogen - „bodenlos“ (33 Prozent) und „Macher“ (24 Prozent) - nutze sie selbst und höre sie auch in ihrem Umfeld häufiger. „Aber auch das kommt jetzt nicht allzu oft vor“, sagt die Bremerhavenerin. „Ich habe nicht den Eindruck, dass die drei Begriffe die Sprache der Jugendlichen von heute adäquat widerspiegeln“, sagt Szulinski skeptisch. Ihrer Meinung nach hätte das Wort „Digga“ den Titel viel eher verdient. Es sei zwar schon etwas in die Jahre gekommen, habe den Generationenwandel aber wie kein anderes überdauert. Tatsächlich hatte es der Ausdruck, der bereits seit den Neunzigerjahren in Deutschland als Anrede unter Freunden verwendet wird und so viel bedeutet wie „Kumpel“ oder „Kollege“, in diesem Jahr - nach 2020 und 2021 - zum dritten Mal hintereinander in die Runde der letzten zehn geschafft.

Auch Szulinskis Kollege Cihad aus Delmenhorst, der sich für eine Zigarettenlänge zu der jungen Frau gesellt, kennt die drei diesjährigen Finalisten. Er persönlich nutze aber nur das Wort „Macher“. Neu sei dieser Ausdruck für ihn indes nicht: „Macher sagen die Leute doch schon seit etlichen Jahren, wenn sie von jemandem sprechen, der etwas anpackt“, sagt der 25-Jährige. Und auch „bodenlos“ sei kein Begriff, der explizit von jüngeren Generationen verwendet wird. Insgesamt findet Cihan die Auswahl der diesjährigen Jugendwort-Kandidaten „eher mau“.

Aufpassen, dass man es nicht übertreibt

Cihad aus Delmenhorst

„,Macher‘ sagen die Leute doch schon seit etlichen Jahren“: Cihad findet die Auswahl der diesjährigen Jugendwort-Kandidaten eher mau. Foto: Pejic

2008 hatte der Langenscheidt-Verlag erstmals das Jugendwort des Jahres gekürt, um damit sein Lexikon „100 Prozent Jugendsprache“ zu bewerben. Bis 2018 bestimmte eine eigens vom Verlag eingesetzte Jury den jeweiligen Sieger. Nachdem sich daran Kritik entzündet hatte, weil die eigentliche Zielgruppe, sprich junge Menschen, keinerlei Mitspracherecht hatten, lässt Langenscheidt das Jugendwort seit 2019 in einem mehrstufigen Online-Abstimmungsverfahren ermitteln, an dem sich jeder beteiligen kann. Vorschläge einreichen können indes nur Jugendliche.

Im Gewerbepark Spaden kommt derweil Michael Pauluhn aus einem Möbelgeschäft. Der Bremerhavener hat nichts von dem Jugendwort-Wettbewerb mitbekommen, kennt weder die Finalisten noch den Sieger. Als wir ihn aufklären, zeigt auch Pauluhn sich zunächst skeptisch: „Es kommt natürlich darauf an, wer diesen Ausdruck benutzt und in welcher Situation. Ich kann mir vorstellen, dass junge Frauen es nicht unbedingt toll finden, wenn sie von jungen Männern hören, dass diese sie gerne ,smashen‘ möchten“, sagt der 53-Jährige lachend. Andererseits: „Welcher Erwachsene kann heute schon einschätzen, was die jungen Leute gut finden und was nicht.“ 43 Prozent seien jedenfalls ein klares Ergebnis. „Jede Generation hat ihre eigene Sprache, das war damals so, das ist heute so und es wird auch morgen so sein“, ist Pauluhn überzeugt. „Wir müssen nur aufpassen, dass wir damit nicht übertreiben.“ Eine allzu stark deformierte deutsche Sprache wäre für den Bremerhavener, der selber erwachsene Kinder hat, ein Graus.

Eine „bodenlose“ Frechheit

 Michael Pauluhn

„Jede Generation hat ihre eigene Sprache“: Michael Pauluhn hat Verständnis für den Sprachwandel der Jugend, warnt aber davor, es zu übertreiben. Foto: Pejic

Der Elektromarkt-Angestellte Jermain Dagligil indes findet die Wahl der Jugendwort-Finalisten gar nicht so verkehrt. Insbesondere „bodenlos“ und „Macher“ seien unter Jugendlichen weit verbreitet und bildeten die Alltagssprache seiner Generation insgesamt gut ab: „Von meinen Freunden sagt keiner „du bist ein ehrgeiziger, akribischer Arbeiter“, das passiert einfach nicht. Wir sagen stattdessen einfach ,Macher‘. Von daher passt das schon“, sagt der 18-Jährige. Und auch „bodenlos“ komme in bestimmten Situationen zum Einsatz: „Ich bin ein großer Schalke-Fan. Wenn der Mannschaft in einem Spiel zwei Tore aberkannt werden und wir am Ende 1:2 verlieren, dann ist das bodenlos. Eine bodenlose Frechheit und zugleich eine bodenlose Enttäuschung“, erläutert Dagligil fachkundig. „Smash“ komme ihm aber nicht über die Lippen, das Wort sei seiner Meinung nach zum Fremdschämen: „Es ist schon ein wenig cringe“, sagt Dagligil und benutzt damit zugleich den Jugendwort-Sieger des vorangegangenen Jahres. Damals hatten 1,2 Millionen Jugendliche abgestimmt. Der Ausdruck „cringe" (peinlich) hatte sich mit 41 Prozent der Stimmen gegen die Begriffe „sus“ (verdächtig) und „sheesh“ (Ausdruck für Erstaunen) durchgesetzt.

Sprache zum Davonrennen

Annalina Astermann und ihr Partner Andy Hasenfuß

Können den Jugendwörtern nicht viel abgewinnen: Annalina Astermann und ihr Partner Andy Hasenfuß aus Bispingen. Sie sind auf Urlaub im Cuxland. Foto: Pejic

Die Wehdelerin Sarah Neumeyer, die mit einem Packen Elektroartikel aus dem Geschäft kommt, hat für derlei Sprachspiele kein Verständnis: „Ich komme mit der Art, wie die jungen Leute heutzutage sprechen, überhaupt nicht mehr klar. Da steige ich nicht mehr durch.“ Neumeyer ist Jahrgang 1978, der ausgefallenste Ausdruck, den sie in ihrer Jugendzeit benutzt habe, sei „supi“ gewesen - eine Verniedlichung von super. Ansonsten habe sie die deutsche Sprache so gesprochen, wie sie es von ihren Eltern und in der Schule gelehrt bekommen hat. „Dass sich unsere Sprache von Generation zu Generation immer mehr verändert, und vor allem in welche Richtung sie sich ändert, finde ich leider zum Davonrennen“, sagt Neumeyer bitter.

Und auch Annalina Astermann und ihr Partner Andy Hasenfuß, die aus dem 240 Kilometer entfernten Bispingen kommen und ein paar Urlaubstage im Landkreis verbringen, können den Jugendwörtern nicht viel abgewinnen: „Diese ganzen neuen Ausdrücke sind für mich der absolute Absturz“, sagt Andy Hasenfuß auf dem Parkplatz vor einem Supermarkt. „Da tun einem vom bloßen Zuhören die Ohren weh.“ Zustimmung kommt von seiner Freundin: „Die zunehmende Verwahrlosung unserer Sprache ist für mich ein Spiegelbild der Verwahrlosung der Jugend“, sagt Annalina Astermann. „Und das können auch solche Wettbewerbe wie ,Jugendwort des Jahres‘ nicht kaschieren.“

Josip Pejic
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