Nordenham

Die neue Sprachlosigkeit: Zu viele Möglichkeiten und zu wenig zu sagen

Am Mittwochvormittag gucke ich auf mein Handy und stelle fest, dass ich 17 neue WhatsApp-Nachrichten habe. Ich ahne, wie viele davon mich wirklich betreffen und interessieren werden - maximal zwei. Und genau so ist es.

Eine Kollegin hat mir eine Sprachnachricht mit Informationen zu einem anstehenden Termin geschickt. Der Sänger der Band, in der ich spiele, möchte etwas zu unserem nächsten Konzert wissen. Die anderen 15 Nachrichten sind in einer WhatsApp-Gruppe aufgepoppt, in der die üblichen Verdächtigen wieder einmal jeden Zeitungsschnipsel und jede noch so nichtige Nachricht, von der sie glauben, die Gruppenmitglieder könnten sie interessieren, unters Volk streuen müssen.

Wie immer schließe ich den Gruppenchat wieder, ohne eine einzige der Nachrichten gelesen zu haben. Besteht da nicht die Gefahr, dass ich etwas Wichtiges verpasse? Zu 99 Prozent: Nein. Die einzige Gefahr ist die, dass ich wertvolle Zeit verschwende, von der andere offenbar zu viel haben.

Ein bisschen Zeit wende ich dann aber doch für die Sache auf - um darüber nachzudenken, warum manche Leute so derart mitteilungsbedürftig sind. Warum sie glauben, bei Facebook jeden Tag ihr Mittagessen posten zu müssen. Warum sich das Ausdrucksvermögen so vieler Menschen inzwischen auf Emojis beschränkt. Und - vor allem - warum wir uns in einer Zeit, in der uns so viele Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen wie nie zuvor, so dermaßen wenig Wesentliches zu sagen haben. Das ist wohl die neue Sprachlosigkeit.

Ich stelle das Handy auf lautlos und lege es zurück in meine Tasche. Reicht für heute.

Detlef Glückselig

Redaktionsleiter

Er ist mit Leib und Seele Lokaljournalist. Seit 1984 berichtet er aus der Wesermarsch. Es sind die Menschen und ihre Geschichten, die ihn interessieren. Detlef Glückselig ist der Redaktionsleiter der Kreiszeitung.

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