Bremerhaven

„Wintersonnen“ begeistern die Zuhörer beim Sinfoniekonzert im Großen Haus

Das fahle Licht der Wintersonne ist anregend - jedenfalls für Komponisten. Und für die Zuhörer des Vierten Sinfoniekonzert im Großen Haus. Sie genossen die so unterschiedlichen Musikstücke, die Marc Niemann unter diesem Motto zusammengefasst hatte.

Das Philharmonische Orchester in Bremerhaven

Das Philharmonische Orchester - unter dem Dirigat von Marc Niemann - überzegute mit feinfühligem Spiel und subtiler Farbgebung. Foto: Ralf Masorat

Von typisch norddeutschem Schmuddelwetter in der kalten Jahreszeit haben sich Komponisten wohl allenfalls in seltenen Ausnahmefällen inspirieren lassen. Wohl aber von den besonderen Stimmungen und Lichtverhältnissen, die sich so nur in einem wirklichen Winter erleben lassen. Einige faszinierende musikalische Umsetzungen präsentierte das Philharmonische Orchester unter dem Dirigat von Marc Niemann bei seinem vierten Sinfoniekonzert mit dem Titel „Wintersonnen“ im Großen Haus des Stadttheaters.

Mauro Montalbetti setzt auf eigentümliche Melancholie

Eher fahle Schimmer, mitunter gar bedrückende Düsternis bestimmten das eingangs vorgetragene Werk „Blumenlicht“ von Mauro Montalbetti, dem diesjährigen Composer in Residence. Schwebende, dissonante Klangflächen samt mitunter daraus hervortretenden kurzen Motiven verströmten eine eigentümliche Melancholie. Die Komposition wirkte wie ein akustisches Gemälde aus grauen Schraffuren, markanten Strichen und kleinen Farbtupfen, das auch ohne nähere Deutung eindrucksvolle Gefühlsregungen vermittelte.

Pianistinnen verfügen über sprühende Energie

Gänzlich andere als winterbluesige Eindrücke hatte Francis Poulenc wohl im Sinn bei seinem Konzert für zwei Klaviere und Orchester d-Moll. Mit schier überbordend sprühender Energie gingen die beiden Pianistinnen Mari und Momo Kodama von Beginn an in die Vollen.

Der Kopfsatz mit seinen rasenden Läufen und wuchtig markanten Akkorden wurde springlebendig und in pianistischer Perfektion dargeboten; er erzeugte auf nahezu bezwingende Weise gute Laune.

Der Mittelsatz ist deutlich ruhiger

Der deutlich ruhigere Mittelsatz hätte glatt von Mozart stammen können. War aber ein echter Poulenc: ein gekonntes stilistisches Changieren, das von den Solistinnen und dem überaus wandlungsfähigen Orchester eindrucksvoll umgesetzt wurde. Die kompositorische Freude an Kontrasten zeigte sich mehr noch im Finalsatz, der mit presto-drängend jazzigem Drive imponierte.

Auch wenn Poulenc nicht explizit daran gedacht haben mag, so schien sich im Hinblick auf das Konzertmotto die bildhafte Vorstellung eines winterlichen Vergnügens mit Pirouetten drehenden, munter springenden und in weit ausgreifenden Bögen dahingleitenden Eisläufern geradezu aufzudrängen. Vor allem auch dank der ausgesprochen effektvollen Ausführung sowohl seitens der schwesterlich perfekt miteinander harmonierenden Solistinnen als auch des mit viel musikantischem Temperament agierenden Orchesters.

Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Sinfonie Nr. 1 trägt den Titel „Winterträume“. Auch hier brillierten die Philharmoniker mit feinfühligem Spiel und subtiler Farbgebung im Wechsel zwischen flauschig weicher Harmonieschwelgerei und ungebärdig aufbrausendem Tosen. Expressiv und zum Heulen schön geriet der kantabel fließende 2.Satz Adagio.

Dagegen startete das Orchester im Schlusssatz kontinuierlich und unbeirrt zielgerichtet, von spannungsintensiv gesetzten Pausen weit mehr angetrieben als unterbrochen, hin zu einem emphatischen Sturmlauf mit berauschendem Fortissimo-Finale. Ein passender Kehraus für ein mitreißend dargebotenes Konzert, das vom begeisterten Auditorium mit frenetischem Beifall bejubelt wurde.

Der Komponist Mauro Montalbetti (von links), die Solistin Mari Kodama und der Generalmusikdirektor.

Anregende Gespräche nach dem Konzert: Der Komponist Mauro Montalbetti (von links), die Solistin Mari Kodama und der Generalmusikdirektor. Foto: Niemann

Die Gespräche danach

„Eine solche Premierenfeier haben wir uns immer gewünscht“, freut sich der Generalmusikdirektor Marc Niemann, als er die Zuhörer nach dem Konzert im Oberen Foyer des Stadttheaters begrüßt. „Für die Musiker ist die Feier danach allerdings auch ein bisschen anstrengend“, warb Niemann für Verständnis. Denn bereits am Vormittag trafen sie sich zur Generalprobe. „Das ist schon eine enorme Belastung“, so Niemann.Dennoch mischten sich einige unters Publikum, vor allem auch die Solistinnen Mari und Momo Kodoma und der Komponist Mauro Maontalbetti, der ein bisschen über das Wetter in Bremerhaven stöhnte. Den Regen sei er ja aus Norditalien gewöhnt, aber nicht den Wind.Die Feier danach, das „meet and greet“ soll zu einer festen Einrichtung werden, es soll künftig nach jedem Montagskonzert stattfinden. Für die entspannte Atmosphäre sorgt dabei der Jazz-Pianist Armando Balke. (ast)

Gerd Klingeberg
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