Niedersachsen

Uigurin aus Niedersachsen nach China abgeschoben

Eine Uigurin landet nach Abschiebung aus Niedersachsen plötzlich in China – trotz angeblich türkischer Staatsbürgerschaft. Wie kam es zu diesem für die Frau gefährlichen Vorgang?

Von dpa
10. November 2025
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Menschenrechtsorganisationen werfen der chinesischen Regierung seit Jahren vor, Hunderttausende Uiguren in Umerziehungslagern festzuhalten, sie zu überwachen und ihre religiösen und kulturellen Rechte massiv einzuschränken. (Symbolbild)

Menschenrechtsorganisationen werfen der chinesischen Regierung seit Jahren vor, Hunderttausende Uiguren in Umerziehungslagern festzuhalten, sie zu überwachen und ihre religiösen und kulturellen Rechte massiv einzuschränken. (Symbolbild)

Foto: Frank Bründel

Die Abschiebung einer Uigurin ins für sie gefährliche Heimatland löst Bedauern und Empörung aus. Die Angehörige der muslimischen Minderheit der Uiguren ist von Niedersachsen aus nach China ausgewiesen worden – obwohl ursprünglich die Türkei als Zielstaat vorgesehen gewesen sein soll.

Eine Sprecherin des Landrates des für den Fall zuständigen Landkreises Rotenburg an der Wümme und das niedersächsische Innenministerium bestätigten die Abschiebung. Zuerst hatte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet.

Behrens: „Für mich persönlich Stand jetzt nicht nachvollziehbar“

Das niedersächsische Innenministerium teilte auf Anfrage des Magazins mit, es sei über die Maßnahme nicht unterrichtet worden. Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sprach von einem „bedauerlichen Fall“. Sie sei froh, dass es der Betroffenen den Umständen entsprechend gut gehe.

Es sei nicht das Ansinnen der Landesregierung, Angehörige der uigurischen Minderheit nach China abzuschieben. Behrens sagte auf Anfrage des „Spiegel“ weiter: „Es ist für mich persönlich Stand jetzt nicht nachvollziehbar, warum der Betroffenen in diesem Fall vom BAMF kein Schutz zuerkannt wurde.“

Die Frau wurde demnach in Rotenburg an der Wümme festgenommen und anschließend über Frankfurt in ein Flugzeug nach Peking gesetzt. Laut Sprecherin des Landrates konnte sich die Uigurin später über Dubai nach Istanbul in Sicherheit bringen.

Hat die abgeschobene Frau einen türkischen Pass oder nicht?

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) äußert sich zum konkreten Fall der chinesischen Staatsbürgerin nicht. Unklar ist derzeit noch, ob die abgeschobene Uigurin auch einen weiteren Pass besitzt. Nach dpa-Informationen wurde die türkische Staatsangehörigkeit der Frau zwar einwandfrei festgestellt. Doch zu ihrem türkischen Pass kursieren widersprüchliche Angaben.

Der „Spiegel“ zitiert sie selbst mit den vagen Worten: „Ich habe lange Zeit in der Türkei gelebt. Ich denke, dass ich auch die türkische Staatsangehörigkeit habe.“ Die Türkei geht mit Einbürgerungsgesuchen von Uiguren allgemein vergleichsweise großzügig um.

Doch da die Frau über einen chinesischen Reisepass verfügte und die türkischen Behörden dem Landkreis Rotenburg zufolge bestätigten, dass sie nicht in den dortigen Registern eingetragen sei, sei eine Rückführung in die Türkei nicht möglich gewesen. Zudem hat die Frau laut Kreissprecherin keinen Antrag bei der Härtefallkommission des Landes gestellt.

Flüchtlingsrat: „Verfehlte Politik der Abschiebung um jeden Preis“

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen nannte den Fall „Konsequenz einer verfehlten Politik der Abschiebung um jeden Preis“. Claire Deery, Vorsitzende des Flüchtlingsrats, sagte: „Das Mindeste, was die niedersächsischen Behörden jetzt tun müssen, ist eine Entschuldigung bei der leidgeprüften Familie.“ Sie forderte zudem die Zusage, der nach China abgeschobenen Mutter eine Rückkehr zu ihrer in Deutschland lebenden Tochter zu ermöglichen.

Asylantrag wurde als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt

Nach Angaben des Landkreises Rotenburg war die Frau im September 2024 nach mehrjährigem Aufenthalt in der Türkei über Frankfurt nach Deutschland eingereist und hatte anschließend Asyl beantragt. Der Antrag sei vom BAMF als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt worden – Abschiebungsverbote seien nicht festgestellt worden.

Wie die Kreissprecherin weiter mitteilte, sei der Zielstaat China der Frau im Juni 2025 mitgeteilt worden. Ihr Anwalt sei im Juli darüber informiert worden, dass eine Überstellung nach China geplant werde. Die Abschiebung sei schließlich am 3. November – also vor gut einer Woche – durch die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen mit Unterstützung der Polizei vollzogen worden.

Sprecherin: Es gibt keinen Abschiebestopp für Uiguren nach China

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte: „Die Betreffende war vollziehbar ausreisepflichtig und ein Abschiebungsstopp für Uiguren nach China besteht nicht, die Abschiebung nach China war somit rechtmäßig.“ Allerdings wird in der Praxis in der Regel ein Schutzstatus erteilt, wenn Angehörige der uigurischen Minderheit mit ausschließlich chinesischer Staatsangehörigkeit in Deutschland um Asyl bitten – so geschehen auch bei der Tochter der Betroffenen.

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums bestätigte, es gebe keinen Abschiebestopp für Uiguren in die Volksrepublik China. Sie verwies auf die Zuständigkeit der Bundesländer für Abschiebungen und sagte: „Der aktuelle Leitsatz des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sieht für die Entscheidungspraxis zum Herkunftsland China für Uigurinnen und Uiguren vor, den Schutz im Regelfall zuzuerkennen.“

Hunderttausende Uiguren in chinesischen Umerziehungslagern

In der westchinesischen Region Xinjiang leben rund elf Millionen Angehörige der muslimischen Minderheit der Uiguren. Menschenrechtsorganisationen werfen der chinesischen Regierung seit Jahren vor, Hunderttausende von ihnen in Umerziehungslagern festzuhalten, sie zu überwachen und ihre religiösen und kulturellen Rechte massiv einzuschränken. Peking bestreitet die Vorwürfe systematischer Unterdrückung.

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