Niedersachsen

Richter auf der Anklagebank: Es war alles einvernehmlich

Ein heimlicher Kuss im Richterzimmer, Flirts im Zimmer der Geschäftsstelle, Chats mit „Dirty Talk“: Einem Richter des Amtsgerichts Lingen wird der Vorwurf gemacht, sexuell übergriffig gewesen zu sein.

Von dpa
4. November 2025
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Wegen des Vorwurfs, Kolleginnen sexuell belästigt zu haben, steht ein Richter vor Gericht. (Symbolbild)

Wegen des Vorwurfs, Kolleginnen sexuell belästigt zu haben, steht ein Richter vor Gericht. (Symbolbild)

Foto: David-Wolfgang Ebener

Waren es einvernehmliche sexuelle Handlungen, oder hat sich ein Richter des Amtsgerichts Lingen gegenüber Kolleginnen und Mitarbeiterinnen übergriffig verhalten? Die Staatsanwaltschaft Oldenburg wirft dem heute 44 Jahre alten Juristen unter anderem vor, eine Kollegin mit dem Kopf gegen eine Tür gedrückt und sie im Intimbereich berührt zu haben. (Az: 15 KLs5/25)

Von einer Mitarbeiterin der Gerichts-Geschäftsstelle soll er Fotos, die sie leicht bekleidet zeigten, unberechtigt weiterverbreitet haben. Und er soll einer Kollegin mit anzüglichen Bemerkungen in einem Chat nachgestellt haben, obwohl diese deutlich gemacht habe, dass sie dies nicht wolle, wirft der Staatsanwalt dem Juristen vor, gegen den derzeit auch ein Disziplinarverfahren läuft und der vorläufig vom Dienst suspendiert ist. 

Öffentlichkeit darf bleiben

Dessen Anwalt will zunächst die Öffentlichkeit ausschließen - es gehe immerhin um intime sexuelle Details. Der Staatsanwalt sieht aber ein berechtigtes öffentliches Interesse: Immerhin habe der Angeklagte als Richter eine herausgehobene gesellschaftliche Stellung. Und er habe die ihm zur Last gelegten Taten zum Teil während seiner Dienstzeit als Richter begangen. 

Das Gericht schließt sich dieser Auffassung an, die Öffentlichkeit darf bleiben. Der angeklagte Richter schildert daraufhin in knapp drei Stunden, wie er die Vorwürfe gegen ihn sieht. Die Taten räumt er ein. „Aber strafbar gemacht habe ich mich nicht“, betonte er mit brüchiger Stimme. Er sei schließlich „Strafrichter mit Leib und Seele“ und wisse, was erlaubt sei und was nicht. Alle Handlungen seien mit allen betroffenen Frauen einvernehmlich gewesen.

Interesse an sexuellen Abenteuern

Er macht keinen Hehl daraus, dass er aufgrund seiner privaten Situation an einer Affäre und sexuellen Abenteuern interessiert gewesen sei. „Ich wollte raus aus dem Hamsterrad.“ So habe er eine Beziehung mit einer Kollegin begonnen, aber stets klargemacht, dass es nur eine Affäre sei. Sie habe das gewusst und akzeptiert.

Nach dem Ende dieser Beziehung habe er Gefallen an einer Justizsekretärin aus der Geschäftsstelle gefunden. „Wir haben geflirtet“, sagte er. Auch sie habe ihm sexuell eindeutige Signale gegeben. Aber dann seien ihm doch Bedenken gekommen, ob die Frau die richtige Affäre für ihn sei, als sie ihn kurz vor einer Sitzung in seinem Dienstzimmer Geschlechtsverkehr mit ihm wollte. 

Kein Sex vor der Sitzung

Die Zeit reiche bis Sitzungsbeginn noch aus, es liege an ihm, soll sie gesagt haben. Er habe geantwortet, dass ihm Schnellschüsse nicht liegen, erklärte der promovierte Jurist. Während der Sitzung habe er nachgedacht, ob eine Affäre mit dieser Frau noch Sinn mache, erzählte er. 

Auch die Versuche, eine Richterkollegin in ihrem Dienstzimmer zu küssen, seien nicht überfallartig gewesen, betonte der Amtsrichter. Das habe sich angebahnt, er habe öfter deutlich gemacht, dass er sich eine Affäre mit ihr vorstellen könnte. Sie habe ihn aber immer abgewiesen, weil sie Angst gehabt habe, das Verhältnis könne auffliegen. Er sei zumindest überzeugt gewesen, dass auch seine Kollegin an ihm Interesse gehabt habe, betonte der Richter.

„In dem Verfahren gibt es nur Verlierer“

Er habe seine Frau und seine Familie betrogen, räumte der Angeklagte ein. „Ich habe großen Mist gebaut.“ Aber seine Ehefrau stehe hinter ihm. „Eines steht jetzt schon fest: In diesem Verfahren gibt es nur Verlierer“, kommentierte der Vorsitzende Richter Thomas Everdiking. Bislang sind Verhandlungstermine bis Mitte Dezember vorgesehen.

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