Bremerhaven

Renommierte Autoren kommen zu den Literarischen Wochen nach Bremerhaven

Sie spielen im Hunsrück oder in Berlin, behandeln das Vergehen der Zeit oder malen das Scheitern aus: die vier Romane, die während der Literarischen Wochen vorgestellt werden. Und ein weiterer Autor gibt einen Einblick in seine Schreib-Werkstatt.

Die Autorin Daniela Dröscher schildert in „Lügen über meine Mutter“, wie ein Mann unentwegt seine Frau kritisiert, weil er sie zu dick findet.

Die Autorin Daniela Dröscher schildert in „Lügen über meine Mutter“, wie ein Mann unentwegt seine Frau kritisiert, weil er sie zu dick findet. Foto: Arne Dedert/dpa

Für Beate Porombka, die Direktorin der Volkshochschule (VHS) und Organisatorin der Literarischen Wochen, ist die Lesung aus Wilhelm Genazinos Werktagebüchern der Höhepunkt der Literatur-Reihe. Wenn der bereits 2018 gestorbene Autor unterwegs war, hatte er immer kleine weiße Zettelchen und einen Bleistift dabei, um Beobachtungen zu notieren. Genazino „hatte Angst, dass ihm eines Tages die Einfälle ausgehen könnten“, so Porombka. Das hat er ihr nach einer Lesung in Bremerhaven erzählt. Der Schriftsteller war drei Mal bei den Literarischen Wochen zu Gast. Deswegen war Beate Porombka klar, dass Bremerhaven auf jeden Fall beim „Genazino-Festival“ mitmischen sollte, das zu seinem 80. Geburtstag bundesweit veranstaltet wird. Am Donnerstag, 9. März, kommt nun der Schauspieler Thomas Sarbacher in die Aula der VHS, um aus dem Werktagebuch „Der Traum des Beobachters“ zu lesen.

Angst war ein großes Thema für Wilhelm Genazino. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, erlebte als Kind die Nachkriegszeit im zerbombten Mannheim intensiv. Das hat den Schriftsteller geprägt, seinen skeptischen Blick auf Dinge.

Daniela Dröscher schreibt über ihre Mutter

Daniela Dröscher erzählt am 1. März vom Aufwachsen in einer Familie, in der ein Thema alles beherrscht: das Körpergewicht der Mutter. Ist diese schöne, eigenwillige, unberechenbare Frau zu dick? Muss sie dringend abnehmen? Ja, das muss sie. Entscheidet ihr Ehemann. Und die Mutter ist dem ausgesetzt, Tag für Tag.

„Lügen über meine Mutter“ ist zweierlei zugleich: die Erzählung einer Kindheit im Hunsrück der 1980er, die immer stärker beherrscht wird von der fixen Idee des Vaters, das Übergewicht seiner Frau wäre verantwortlich für alles, was ihm versagt bleibt: die Beförderung, der soziale Aufstieg, die Anerkennung in der Dorfgemeinschaft. Und es ist eine Befragung des Geschehens aus der heutigen Perspektive: Was ist damals wirklich passiert? Was wurde verheimlicht, worüber wurde gelogen? Und was sagt uns das alles über den größeren Zusammenhang: die Gesellschaft, die ständig auf uns einwirkt, ob wir wollen oder nicht? „Ein sehr spannendes Buch“, urteilt Porombka. „Die Autorin zeigt, dass Frauen nie gut genug sind.“

Cécile Wajsbrot spaziert durch Dresden

Mit Virgina Woolf im Kopf spaziert Cécile Wajsbrot durch Dresden. In ihrem Buch „Nevermore“, das 6. März vorstellt, geht es um das Vergehen der Zeit, um Vergänglichkeit und Ewigkeit. Die Pariser Autorin und Übersetzerin lebt für ein paar Wochen in Dresden, um das mittlere Kapitel aus Wolfs „Die Fahrt zum Leuchtturm zu übersetzen. Es gibt keine klare Handlung, sondern Wajsbrot spannt eine Reihe Themen auf, tastet sich langsam als Übersetzerin vor.

Michael Kumpfmüllers „Mischa und der Meister“ war ebenso wie Daniela Dröschers Roman für den Deutschen Buchpreis nominiert. Am 13. März kommt der Autor nach Bremerhaven. Eines ist klar: Es wird sicherlich vergnüglich. Bereits im Titel klingt an, dass sein Werk eine Hommage an Michail Bulgakows „Der Meister und Margarita“ ist, eine Satire auf die Sowjetunion unter Stalin. Der Autor stellt sich vor, was geschehen würde, wenn Jesus für ein paar Tage auf die Erde zurückkäme. Zwar verbringt Jesus kein einziges Wunder, doch steckt er alle Menschen, denen er begegnet, mit Liebe an. Es geht um die ewige Sehnsucht nach Liebe und Erlösung. Allerdings ruft so viel Gutes auch das Böse, den Teufel, auf den Plan, der in der Gestalt von Zahnärzten, Malermeistern und Steuerberatern auftritt.

Feridun Zaimoglus Held scheitert

Den Reigen der Autoren, die bei der Literarischen Woche auftreten, schließt Feridun Zaimoglu am 15. März ab. In seinem neuen Roman „Bewältigung“ beschreibt er einen Schriftsteller, der an einem Buch scheitert. Das haben ja schon alle geahnt, denn der Autor will ein Buch über Adolf Hitler schreiben. „Er ist besessen von dem Stoff“, sagt Beate Porombka. Die Recherche, die er für dieses Projekt betreibt, gleicht einem surrealen Fiebertraum, „sehr bemerkenswert“, urteilt Porombka.

Alle Lesungen finden um 19.30 Uhr im Ella-Kappenberg-Saal in der Lloydstraße 15 statt. Bei jeder Lesung gibt es einen Lesepaten, der im Anschluss drei Fragen an den Autor richten wird.

Neben den Lesungen dürfen sich die Literaturfreunde auch auf eine Verfilmung des Bestsellers „Was man von hier aus sehen kann“ freuen, die am Mittwoch, 8. März, um 18 und um 20.30 Uhr im Kommunalen Kino im Cinemotion läuft. Der verfluchte, wiederkehrende Traum vom Okapi ist das Herzstück von Mariana Lekys Erfolgsroman von 2017. Regisseur Aron Lehmann ist eine famose Umsetzung gelungen, die dem Buch sehr nahekommt.

Luise wächst in den 1980er Jahren in der Tristesse eines Dorfes im Westerwald auf. Sie leidet unter der zerbrechenden Ehe ihrer Eltern, die sich für ihre Tochter kaum interessieren.

Michael Kumpfmüller malt in dem Roman „Mischa und der Meister“ aus, was passieren könnte, wenn Jesus heute auf die Erde zurückkäme.

Michael Kumpfmüller malt in dem Roman „Mischa und der Meister“ aus, was passieren könnte, wenn Jesus heute auf die Erde zurückkäme. Foto: dpa

Wilhelm Genazino wäre in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden. Zu seinem 70. schrieb er: „Man muss kein neues Leben mehr anfangen. Man darf sich früherer Anfänge erinnern und erstaunt sein, was man ausprobiert hat.“

Wilhelm Genazino wäre in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden. Zu seinem 70. schrieb er: „Man muss kein neues Leben mehr anfangen. Man darf sich früherer Anfänge erinnern und erstaunt sein, was man ausprobiert hat.“ Foto: Arne Dedert/dpa

Feridun Zaimoglus Held in seinem Roman „Bewältigung“ ist ein scheiternder Schriftsteller, dem es nicht gelingt, ein Buch über Adolf Hitler zu schreiben.

Feridun Zaimoglus Held in seinem Roman „Bewältigung“ ist ein scheiternder Schriftsteller, dem es nicht gelingt, ein Buch über Adolf Hitler zu schreiben. Foto: Sebastian Willnow/zb/dpa

Mit Virginia Woolf im Kopf spaziert die Autorin und Übersetzerin Cécile Wajsbrot durch Dresden.

Mit Virginia Woolf im Kopf spaziert die Autorin und Übersetzerin Cécile Wajsbrot durch Dresden. Foto: imago stock&people

Anne Stürzer
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