NORD|ERLESEN

Von Boney M. bis Maffay: Als Pop-Promis im Pam Pam die Menge zum Toben brachten

Das Pam Pam in Hagen soll weichen. Statt der Disco soll dort künftig ein Altersheim stehen. Mit dem Tanzpalast wird auch ein Stück Geschichte aus der Region verschwinden. Wir erinnern an eine Zeit, in der Pop-Ikonen die Leute in Hagen noch in Ekstase versetzt haben.

Die Galerie war offen, und oben baumelten runde Lampen: die Discothek Pam Pam im Jahr 1975, am Tag vor der Eröffnung.

Die Galerie war offen, und oben baumelten runde Lampen: die Discothek Pam Pam im Jahr 1975, am Tag vor der Eröffnung. Foto: Perret


Blondgelockt stand er vor ihr. In Satin-Hemd und hautenger Hose. Und stimmte seinen Gesang an. Fred Mühlbock, Sänger der Kraut-Rock-Band Novalis. Noch heute bekommt Marita Morisse glänzende Augen, wenn sie in ihrem alten Foto-Album blättert. Ein paar rotstichige Bilder und vergilbte Zeitungsartikel hat sie fein säuberlich abgeheftet. Jedes Wochenende sei sie damals ins Pam Pam gegangen, erzählt die Neuenlanderin. Um sich den Frust von der Woche vom Leib zu tanzen. Und um Bands live zu erleben.

Schwärmte für den Romantik-Rock von Novalis – und für den Sänger: Marita Morisse.

Schwärmte für den Romantik-Rock von Novalis – und für den Sänger: Marita Morisse. Foto: Inga Hansen

Peter Maffay zum Beispiel, der damals noch nicht die Stadien füllte, sondern durch die Clubs tingelte. Oder die lokalen Helden von Cracker Jack, die zu jener Zeit als ungekrönte Könige des Cover-Rocks durchs Cuxland tourten. „Das Beste war immer, wenn Mario, der Sänger, ankündigte, ‚Jetzt könnt Ihr‘s Euch selber machen‘ und die Band dann ‚Satisfaction‘ spielte“, lächelt Morisse.

Es ist eine der vielen Erinnerungen, die Discogänger zwischen 16 und 60 aus dem Elbe-Weser-Dreieck mit „Norddeutschlands größtem Tanzpalast“ verbinden. Als solcher ging das Pam Pam im Oktober 1975 an den Start. 1600 Quadratmeter, 1400 Sitzplätze – für damalige Verhältnisse war es riesig. Harry Meyer, Bauernsohn mit einem untrüglichen Näschen für die Bedürfnisse der Jugend, hatte 1967 im heimischen Wehldorf die väterliche Dorfkneipe in einen Tanzpalast umgewandelt, nun setzte er auf Expansion.

Staus am Wochenende

Mit Erfolg. „Gepflegte Tanzabende mit heißer Musik“ versprach Meyer – und schon bei der Eröffnung mit den schottischen Chartstürmern Middle of the Road sowie Cracker Jack rannten ihm 2400 junge Leute die Tür ein. Die Anwohner im beschaulichen Hagen mussten sich fortan an Staus am Wochenende gewöhnen. Pop-Größen wie Boney M., Torfrock, Blondie und die George Baker Selection spielten im Pam auf. „Da war regelmäßig der ganze Ort dicht“, erzählt der heutige Pam-Betreiber Peter Meyer, Schwiegersohn des Gründers.

Doch der Hype um die Bands währte nicht mehr lange. „Anfang der 80er wurde ein Raum in der Disco abgetrennt, in dem Musik vom Plattenteller lief. Um den Besuchern in den Band-Pausen etwas zu bieten. Dann merkte man, dass da, wo die Platten aufgelegt wurden, viel mehr los war“, erzählt Jan Steinwart, damals regelmäßiger Pam-Besucher und seit 1983 DJ dort. Es war die Geburt der modernen Disco.

Der „Kuhstall“ in der Disco

Auch sonst hat sich das Pam gewandelt. Das dunkle Mahagoni-Holz aus der Harry-Meyer-Ära ist einem strengen Design gewichen: Ein Traversensystem mit Licht-Anlage zieht sich um die Tanzfläche, chromglänzende Theken, schwarze Barhocker, silberne Deckenlampen und Lounge-Sessel geben dem Saal eine kühle Ästhetik. Hier, in der Main Area, kann das Publikum dem Mainstream lauschen, oben auf der inzwischen geschlossenen Galeria werden HipHop und Soul aufgelegt. Im „Kuhstall“, den Peter Meyer Ende der 90er Jahre liebevoll mit Holz aus alten Ackerscheunen und anderen Utensilien vom Bauernhof eingerichtet hat, gibt’s Oldies und Schlager.

„Anfangs lief auf beiden Tanzflächen das Gleiche, und der DJ schaute immer durchs Fenster, ob das auch überall ankam, was er machte“, plaudert Steinwart noch mal aus dem Nähkästchen. Später differenzierte sich der Musikgeschmack aus, die einen tanzten nach Disco, die anderen liebten ihren Rock. Die unterschiedlichen Dancefloors entstanden.

Trauer um die Galerie

Es war eine Zeit, an die er sich gerne erinnert. „Damals“, erzählt der Hagener, „konnte man als DJ den Musikgeschmack prägen. Heute kommen die Kinder an und spielen uns auf dem Handy vor, was sie hören wollen. Wir reagieren nur noch – auf das, was von Youtube kommt.“

Marita Morisse trauert vor allem einem hinterher – der Galerie, von der man früher die ganze Disco überblicken und seine Helden aus der Ferne anhimmeln konnte. „Das war einfach eine tolle Atmosphäre“, sagt sie. Aber inzwischen geht die Neuenlanderin ohnehin lieber in die Oper.

Teile dieses Artikels wurde erstmals am 31. Januar 2020 veröffentlicht.

Einst galt das Pam Pam in Hagen als Norddeutschlands größter Tanzpalast

Einst galt das Pam Pam in Hagen als Norddeutschlands größter Tanzpalast Foto: privat

Inga Hansen

Reporterin

Inga Hansen, Jahrgang 1962, arbeitet seit 1993 als Redakteurin in der Landkreis-Redaktion der NZ. Zuvor hat die gebürtige Ratzeburgerin in Hamburg Politikwissenschaft und Öffentliches Recht studiert. Ihr Interesse gilt neben der Politik Pop-Musik, Literatur und Filmen.

0 Kommentare
Newsletter Der KZW-Newsletter
Alle wichtigen Nachrichten und die interessantesten Ereignisse aus der Region täglich direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Mit Empfehlung aus der Redaktion.
PASSEND ZUM ARTIKEL

NORD|ERLESEN

Rocken in Schlips und Anzug

NORD|ERLESEN

Leichte Mädchen und Hackepeter

NORD|ERLESEN

Die Mutter aller Szenekneipen

nach Oben