Im schlagzeilengetriebenen Tageszeitungs-Journalismus ist es lange nach hinten gerückt – das Dossier, das die Wochenzeitung ZEIT dem früheren Shooting-Star der SPD, Kevin Kühnert, gewidmet hat. Mir allerdings geht die Geschichte noch im Kopf herum. Kevin Kühnert war der Hoffnungsträger der Sozialdemokraten. Bis er im Herbst aus heiterem Himmel das Handtuch warf. Ein Riesen-Talent, rhetorisch großartig, jung, erst in Politiker-Maßstäben, ein Mann, dem eine glänzende Karriere bevorstand. Wie kann der ausgebrannt sein? Er konnte. Wie man jetzt weiß, da sich der 35-Jährige erstmals zu seinem Rückzug aus der Politik geäußert hat, waren es nicht der Stress oder die Zwänge in seinem Generalsekretär-Job. Es war der Hass. Der Hass von ganz normalen Menschen, der ihm wie allen anderen Politikern immer häufiger entgegenschlug. Wie vielen anderen Politikern auch. Übrigens nicht nur den Polit-Größen in Berlin. Auch einfachen Kommunalpolitikern. Ja, genau denen, die für ein paar Euro Aufwandsentschädigung ihren Feierabend opfern, um ihre Stadt oder ihre Gemeinde voranzubringen.. Beschimpfungen, Pöbeleien, zerstochene Reifen wie bei dem SPD-Politiker Gunnar Wegener, bis hin zu Attacken wie auf den früheren Kreisveterinär, der durch einen Schuss lebensgefährlich verletzt wurde. Das geht alles gar nicht. Wenn wir so mit unseren Volksvertretern umgehen, gibt es bald keine mehr. Weil sich niemand mehr antun mag. Daran sollten alle denken, die gerne zum Politiker-Bashing ausholen. Politiker sind nicht ohne Fehler, aber das haben sie nicht verdient. Demokratie lebt vom Mitmachen, nicht vom Fertigmachen.
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