Cuxland

Kein beschleunigtes Verfahren: Wird die A20 ausgebremst?

Der Bundesverkehrsminister hat Erwartungen geweckt. Wenn es nach ihm ginge, so Volker Wissing im März im NZ-Interview, soll die A20 beschleunigt gebaut werden. Es ging aber nicht nach ihm. Die A20 ging leer aus. Nun rätselt die Region, was das heißt.

Volker Wissing wollte sich dafür stark machen. Doch die A20 zählt nicht zu den Projekten, die der Bund jetzt mit hohem Tempo ausbauen will.

Volker Wissing wollte sich dafür stark machen. Doch die A20 zählt nicht zu den Projekten, die der Bund jetzt mit hohem Tempo ausbauen will. Foto: picture alliance/dpa

Die Hoffnung war groß. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) war im Winter gleich zwei Mal an der Küste. Im Interview mit der NORDSEE-ZEITUNG im März sagte er, dass die A20 gebraucht wird. Er schlage deshalb vor, so Wissing, die Küstenautobahn, auf die Wirtschaft und Politik in Bremerhaven wie im Kreis Cuxhaven setzen, beschleunigt zu bauen. Soll heißen, dass die Genehmigungen für den Bau der A20 mit ähnlichem Tempo erstellt und durchgesetzt werden sollen wie die Genehmigungen für die Flüssiggas-Terminals vor Wilhelmshaven und Brunsbüttel. Doch eine Woche später war das Schall und Rauch. Die Ampel-Koalition einigte sich auf 144 Autobahn-Vorhaben, die beschleunigt umgesetzt werden sollen. Die A20 war nicht darunter.

Unternehmer Gehr: „Das wird nichts mehr“

Rainer Gehr mag zu dem Thema nichts mehr sagen. Der Tischlermeister aus Lunestedt, der seine Firma zu einem Schiffsausrüster von Weltrang gemacht hat, zählt zu denen, für die die A20 einmal der Zukunftstraum war. Nicht nur weil 90 Prozent seiner Kunden in Hamburg, Kiel, Wismar oder Rostock sitzen. Sondern weil, wie er sagt, die Elbe-Weser-Region diese Autobahn benötigt. „Wir brauchen Arbeit und dafür brauchen wir Infrastruktur. Deshalb ist die A20 so wichtig.“ Doch den Glauben, dass die Autobahn jemals realisiert wird, hat er verloren. „Das wird zu unseren Lebzeiten nichts mehr“, ist er überzeugt. Egal ob im beschleunigtem Verfahren oder im herkömmlichen. „Wir haben an der Küste Riesen-Chancen, aber wir haben offenbar auch das Potenzial, diese Chancen verpuffen zu lassen“, sagt Gehr resigniert.

Ist da in Berlin die Chance auf den Bau der Ost-West-Autobahn tatsächlich vertan? Auf keinen Fall, heißt aus dem Verkehrsministerium. Der Ausbau der A20 stehe im Verkehrswegeplan als Projekt mit „vordringlichem Bedarf“ und sei „fest disponiert“, versichert eine Sprecherin. „Der Bundesgesetzgeber erachtet den Ausbau dieser Autobahn als besonders wichtig und dringlich.“

Das glaubt auch Enak Ferlemann. Erst recht nach der Nachtsitzung des Koalitionsausschusses. „Die A20 wird sogar als Beispiel im Koalitionspapier aufgeführt“, freut sich der CDU-Bundestagsabgeordnete, der seit Jahrzehnten für die Küstenautobahn kämpft und jahrelang Staatssekretär im Verkehrsministerium war.

Ferlemann: „Beschlüsse sind ein Segen für die A20“

„Die A20 wird durch die Beschlüsse der Ampel sogar gestärkt“, ist er überzeugt. Denn Berlin will jetzt bei allen Infrastrukturprojekten auf die Tube drücken und plane Änderungen bei Umwelt- und Naturschutzauflagen. „Wenn der Naturausgleich nicht nur auf Flächen, sondern auch mit Geld geleistet werden kann, das wiederum in größere Naturschutzprojekte fließt, ist das ein Segen für die A20.“ Das sieht sein Gegenüber von der SPD, Daniel Schneider, genauso. „Wir haben uns ja auf Maßnahmen geeinigt, die alle Verfahren beschleunigen. Davon profitiert auch die A20“, sagt er.

Beim Förderverein Pro A20, der vor als 20 Jahren von Vertretern der Wirtschaft, der Politik und der Verwaltung in der Elbe-Weser-Region ins Leben gerufen wurde, damit die Küstenautobahn Fahrt aufnimmt, sieht man das nicht ganz so positiv. Olaf Orb, Geschäftsführer der Handelskammer in Bremen und im Vorstand von Pro A20, bleibt abwartend: „Für uns stellt sich jetzt die Frage, was der Beschluss der Ampel für die A20 bedeutet.“ Dass man sich in Berlin geeinigt hat, die Autobahnabschnitte beschleunigt auszubauen, die im Verkehrswegeplan als Engpässe bezeichnet werden, dafür hat er Verständnis. „Aber das hilft uns in Nordwestdeutschland nicht weiter.“

Das ist die Trasse der A20: Der blau gestrichelte Teil im Osten ist gebaut, die rote Strecke von Westerstede bis Bad Segeberg nicht.

Das ist die Trasse der A20: Der blau gestrichelte Teil im Osten ist gebaut, die rote Strecke von Westerstede bis Bad Segeberg nicht. Foto: dpa

Küstenautobahn

Die A20 soll einmal Osteuropa und Skandinavien mit dem Ruhrgebiet und den Benelux-Staaten verbindet. Die Trasse führt an allen deutschen Seehäfen vorbei und würde das Nadelöhr Hamburg entlasten.Im Osten ist die A20 lange fertig, vom polnischen Stettin bis Bad Segeberg. Der Rest der Strecke - von Segeberg über Itzehoe den neu zu bauenden Elbtunnel, Drochtersen, Bremervörde, Loxstedt, den Wesertunnel bis nach Westerstede - ist in Planung.In Niedersachsen gibt es seit der Fertigstellung des Wesertunnels 2004 den Plan, die Autobahn zu bauen, um den Nordwesten besser anzubinden. Fahrt nahm die Planung 2016 auf mit der Aufnahme der A20 in den „vordringlichen Bedarf“ des Verkehrsministeriums. Damit gilt sie als eines der Projekte, die bis 2030 gebaut werden sollen. Allerdings gilt der Plan als überzeichnet, es soll also nicht genug Geld da sein, um alle Projekte zu finanzieren.
Nun komme es darauf an, wie es weitergeht, so Orb. „Die Frage ist, ob die A20 sich jetzt hintenanstellen muss, bis die 144 Engpässe beseitigt sind. Oder ob man die A20 mit Hochdruck und ausreichend Fachpersonal weiter vorantreibt.“ Eine Frage, die er an den Bund, aber auch ausdrücklich an die Länder richtet, in deren Hand die Planung liegt.

Schließlich sitzen in Schleswig-Holstein wie in Niedersachsen die Grünen mit in der Landesregierung, die - zumindest südlich der Elbe - ausdrücklich keine Freunde der A20 sind. Die Furcht, dass die Grünen in Hannover bei der A20 auf die Bremse treten, ist groß. Für Orb und seine Mitstreiter misst sich die Zukunft der A20, über die jetzt seit 20 Jahren geredet wird, daran, was sich tut. Schließlich gibt es – obwohl das Projekt das Label „vordringlicher Bedarf“ seit 2016 trägt – bislang für keinen der einzigen sieben Bauabschnitte der A20 in Niedersachsen einen Planfeststellungsbeschluss, also eine Baugenehmigung.

Und das ist das, was in der Öffentlichkeit ankommt. Zum Beispiel bei Rainer Gehr. „Ich bin Unternehmer“, sagt der Schiffsausrüster aus Lunestedt. „Wenn eine Sache 20 Jahre lang liegenbleibt, dann stell‘ ich mich darauf ein, dass das nichts mehr wird. Da renne ich keinem Luftschloss hinterher.“

Inga Hansen

Reporterin

Inga Hansen, Jahrgang 1962, arbeitet seit 1993 als Redakteurin in der Landkreis-Redaktion der NZ. Zuvor hat die gebürtige Ratzeburgerin in Hamburg Politikwissenschaft und Öffentliches Recht studiert. Ihr Interesse gilt neben der Politik Pop-Musik, Literatur und Filmen.

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