„... aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, aus Handwerks- und Gewerbebanden, aus dem Druck von Giebeln und Dächern, aus der Straßen quetschender Enge... ich höre schon des Dorfs Getümmel, hier ist des Volkes wahrer Himmel...“:
Bei Ihnen knarrt die Gedächtnis-Schublade ganz laut? Klingt doch gar nicht sooo verstaubt und miefig, Goethes rausgekramter „Osterspaziergang“. Die quetschende Enge der Straßen, die wintervermufften „Gemächer“ - und wenn ich aus dem Dorf die Stadt mache, spielt sich diese Szenerie weder im Harz noch 1772 ab, sondern hier und jetzt in Bremerhaven: am ersten Aprilsonntag am Deich.
Menschenströme unter Strahlehimmel, verstreut entlang der Wasserkante zwischen Fischerei- und Containerhäfen. Nichts Enges, nur Weite. Nichts Miefiges, nur Frischluft.
Auch in der Karwoche dürfen Menschen aller Kulturen jenseits von Corona, Kriegs- und Krisenzeiten befreit aufatmen, Licht und Leichtsein tanken. „Ich liebe Bremerhaven, das Wasser, die Schiffe, ich mach da gern Kurzurlaub.“ Sagt mir ein Typ mitten in Hannover.
Am Wochenende war ich dort, im Theater. Im Hotel plaudere ich mit dem aufmerksamen Mann vom Service. Aus Syrien stammt er. Ist glücklich über den guten Job. „Nach Bremerhaven komme ich oft, einfach kurz mal raus, Energie holen. Auch schon, als ich noch im Harz gelebt habe.“
Da schwappt er also doch an die österliche Nordsee: der Harz. Goethe grüßt übern Deich: Des Dorfs Getümmel unterm Seestadthimmel. Zufrieden jauchzet Groß und Klein. „Hier bin ich Mensch. Hier darf ich’s sein.“

Entspannt am Deich und Stadtstrand entlangschlendern: Menschen von überall her genießen in der Osterzeit die kleine Frischluftdusche in Bremerhaven. Foto: Privat