Meinung & Analyse Bauernproteste

Bauernproteste: Die Bundesregierung begeht einen fatalen Fehler

Die Landwirte mögen gute Gründe für ihren Protest haben. Doch das trifft auf viele andere Berufsgruppen auch zu, die von Kürzungen betroffen sind. Die Regierung macht aktuell in ihrer Reaktion auf die Bauern-Demos einen fatalen Fehler. Ein Kommentar.

Bauernproteste: Die Bundesregierung begeht einen fatalen Fehler

Ein analysierender Kommentar von unserem Korrespondenten Hagen Strauß

Die Ampel-Koalition muss nun schleunigst den Eindruck widerlegen, dass die dicksten Trecker auch den größten Einfluss auf die Politik des Bündnisses haben. Zweifelsohne haben die Proteste Eindruck hinterlassen bei den führenden Koalitionären. Deswegen wohl auch der Kompromiss mit einer teilweisen Rücknahme der Streichungen bei den Bauernsubventionen. Man kann klein beigeben, zurückrudern, auch Fehler korrigieren als Politik. Man muss dies aber gut begründen. Das ist bisher bei der Ampel zu wenig der Fall.

Gute Argumente gegen Streichungen gibt es in vielen betroffenen Berufsgruppen

Insofern werden jetzt vermutlich viele andere Berufsgruppen fragen, die von Sparplänen betroffen sein werden, warum ihre Proteste keinen oder kaum Erfolg erzielt haben bei Scholz, Lindner und Habeck. Die Pflegenden zum Beispiel. Oder die Mittelständler. Oder die Gastronomen, die von der Rückkehr zur erhöhten Mehrwertsteuer geplagt sind. Alle haben gute Gründe, warum sie nicht betroffen sein sollten. Die Ampel muss daher raus aus dem stillen Kämmerlein der großen Drei und jetzt Präzisionsarbeit leisten. Es muss klar werden, was noch geht und was nicht. Und warum bei wem. Das ist nicht nur, aber auch die Aufgabe eines Kanzlers.

Anti-Demokraten als gesellschaftlicher Fluch

Auf der anderen Seite ist es zu einem gesellschaftlichen Fluch geworden, dass Proteste für berechtigte Anliegen inzwischen von Wirrköpfen und Anti-Demokraten missbraucht werden. Robert Habeck hat dies jetzt erleben müssen, als er seine Fähre nicht verlassen konnte; auch der Kanzler, als er in den Flutgebieten unterwegs gewesen ist und dort beschimpft wurde. Wer glaubt denn ernsthaft, auf diese Weise irgendetwas erreichen zu können? Man kann froh sein, dass es überhaupt noch Leute gibt, die sich die Politik angesichts solcher Auswüchse antun. Respekt und Anstand gehören auch auf die Straße.

Der Bauernverband ist nun gefordert, dem so gut es geht Einhalt zu gebieten bei seinen weiteren Protesten. Er muss dafür sorgen, dass seine Aktionen nicht von Irren, Umstürzlern und Rechten unterwandert werden und dass auch diejenigen, die eine andere Meinung vertreten, Gehör finden können. Das gilt allerdings für alle Organisationen, die in nächster Zeit noch auf die Straße gehen werden gegen die Sparpläne der Ampel. Gelingt das nicht, wird das breite Verständnis für die Anliegen der Protestler weiter sinken.

Wer nur auf Eigeninteressen setzt, schadet dem Gemeinwohl

Maß und Mitte sind bei allen Protesten oberstes Gebot. Partikularinteressen dürfen nicht immer über alles andere gestellt werden. Wer das tut, schadet dem Gemeinwohl und handelt aus purem Egoismus. Und um es mit dem verstorbenen Wolfgang Schäuble zu halten: Demokratie ist eine Zumutung, der Staat ist kein Supermarkt, der dem Bürger ständig Angebote macht. Das gilt es jetzt mehr denn je zu beherzigen.

Hagen Strauß, Redakteur, Hauptstadtredaktion

Hagen Strauß, Redakteur, Hauptstadtredaktion Foto: Marco Urban

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