Auf einmal ist sie da, Justin Timberlakes Zauberbox. Zu „Sanctified“ löst sich aus der Video-Leinwand ein riesiger LED-Würfel, hebt vom Boden ab und schiebt sich auf die Bühnenmitte. Es ist eine wahrlich spektakuläre Show, mit der der US-Superstar an diesem Mittwochabend in Hamburg den Deutschland-Teil seiner „Forget Tomorrow“-Welttournee beendet.
Justin Timberlake und seine Zauberbox
Zugegeben: Timberlake, der in der Vergangenheit immer mal wieder mit Skandalen für Aufsehen sorgte, hatte zuletzt wieder so manche unangenehme Schlagzeile wegzustecken. So machte ihm seine Ex-Freundin Britney Spears in ihren Ende 2023 veröffentlichten Memorien schwere Vorwürfe, von Fremdgehen bis zum Drängen auf einen Schwangerschaftsabbruch. Sein jüngstes Album „Everything I Thought I Was“, mit dem er sein Comeback feiern wollte, zündete daraufhin nur mäßig. Zuletzt wurde der 43-Jährige im Juni dann wegen Trunkenheit am Steuer verhaftet. Doch irgendwie perlt an Timberlake nach wie vor alles unbeschadet ab. Seine Show in der Barclays Arena ist seit Wochen ausverkauft und er wird mit größtem Jubel begrüßt.
So richtig funken will es bei den ersten Songs – vornehmlich neue Stücke – aber nicht. Timberlake fegt zwar mit lässigen Dancemoves über die Bühne, doch die Show wirkt zunächst steril, abgespult, seelenlos. Songs gehen ineinander über, enden abrupt. Alles wirkt ein bisschen lieblos und beliebig – bis beim sechsten Song die besagte Zauberbox kommt. Die spektakulären Projektionen sind nicht nur hübsch anzusehen, sondern dienen als visuelle Verlängerung der Songs: Bei „Infinity Sex“ sehen sie aus wie eine wabernde Lavalampe, zu „FutureSex/LoveSound“ verschmelzen zwei Körper. Bei „Drown“ geht Timberlake in einem Wassertank unter und zu „Cry Me A River“ verwandelt die inzwischen waagerecht an der Hallendecke schwebende LED-Box sich in ein tosendes Meer, das bedrohlich über ihm zusammenzubrechen scheint. Spätestens da ist klar: Das hier ist eine Produktion, die ihresgleichen sucht.
Timberlake kommt mit 11-köpfiger Live-Band
Für die exzellente musikalische Umsetzung sorgt Timberlakes 11-köpfige Live-Band The Tennessee Kids, zu der neben Gitarre, Blass, Schlagzeug und Keyboard vier Bläser und drei Background-Sänger:innen gehören. Viele Songs erklingen ganz anders als auf dem Album, weil die Band plötzlich einen kleinen Jam oder ein Solo einbaut oder gar eine Tuba auspackt. R&B trifft auf Rap-Elemente und moderne Beats. Am besten klingt es aber immer dann, wenn es funky wird.
„Now we’re having a party“, sagt Timberlake – stimmlich und körperlich in Topform – etwa zur Halbzeit und lädt mit Songs wie „Let The Groove In“, „My favourite Drug“ oder „F**kin‘ Up The Disco“ zum Tanzen. Sein Pensum ist enorm, das Sacko längst durchgeschwitzt. Etwas ruhiger wird es lediglich, als er sich samt Band mitten durchs Publikum den Weg zur B-Stage bahnt. Dort setzt er sich auch mal ans Klavier, greift zur Akustikgitarre – und wirkt plötzlich ganz menschlich, fast geläutert. Er schüttelt die Hände seiner Fans, macht Selfies und bedankt sich für die Liebe und Treue. „Deutschland ist für mich ein so besonderer Ort. Hier hat es mit N’Sync angefangen“, sagt er. Nach Ende der Boyband im Jahr 2002 veröffentlichte er sein von Michael Jackson beeinflusstes Solodebüt, mit dem er sich als ernstzunehmender Sänger etablieren konnte. Er müsse sich morgens oft selbst kneifen, sagt Timberlake, und auf Deutsch: „Ich liebe euch alle.“
Das große Finale
Zum großen Finale geht es zurück auf die Hauptbühne. Timberlake reiht jetzt Hit an Hit: „Can’t Stop The Feeling“, „Rock Your Body“, „Sexy Back“ und als Zugabe „Mirrors“.Dabei steht Timberlake plötzlich auf seiner Zauberbox. Man fragt sich noch, warum er einen Sicherheitsgurt trägt, als das gigantische Teil sich plötzlich auf einer Seite neigt und Timberlake an der steilen Kante wie von Zauberhand zu schweben scheint. Eine wirklich tolle Inszenierung, für die man den einen oder anderen Füller auf der Setlist verzeiht.