Politik
„Menschenjagd in Budapest“: Fünf Jahre Haft für Hanna S.
Das Gericht ist überzeugt: Die junge Frau hat Menschen aus der mutmaßlich rechten Szene beim „Tag der Ehre“ brutal attackiert. Am Schluss äußert der Richter noch einen speziellen Appell.

Ihre Unterstützer zweifeln ein faires Verfahren an.
Foto: Felix Hörhager
Als Hanna S. den Gerichtssaal betritt, stehen mehrere Dutzend Unterstützer auf und spenden Beifall. Kurz danach werden sie weinen und sich gegenseitig trösten, denn das Oberlandesgericht München (OLG) entscheidet: Fünf Jahre Haft für die mutmaßliche Linksextremistin Hanna S wegen gefährlicher Körperverletzung und Mitglied in einer kriminellen Vereinigung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Hanna S. zusammen mit anderen am „Tag der Ehre“ im Februar 2023 in Budapest brutal Menschen verprügelte, die sie der rechtsextremen Szene zuordneten.
Der „Budapest-Komplex“ beschäftigt mehrere Gerichte
In der ungarischen Hauptstadt kamen zu dem Zeitpunkt zum „Tag der Ehre“ Rechtsextremisten aus ganz Europa zusammen, um des Ausbruchsversuchs der deutschen Wehrmacht, der Waffen-SS und ihrer ungarischen Kollaborateure aus der von der Roten Armee belagerten Stadt zu gedenken. Ein „Neonazi-Schaulaufen“ hatte der Verteidiger Yunus Ziyal das Event zum Beginn des Prozesses genannt. „Es handelt sich um das derzeit größte Massenevent der extremen Rechten.“
Im sogenannten Budapest-Komplex sollen mehrere Personen involviert sein, sieben weitere hatten sich im Januar an verschiedenen Orten den Behörden gestellt, gegen sechs von ihnen hat der Generalbundesanwalt Anklage zum OLG Düsseldorf erhoben. Zu der jetzt in Deutschland verfolgten Gruppe zählt auch die non-binäre Person Maja T., die vergangenes Jahr nach Ungarn ausgeliefert wurde – obwohl das Bundesverfassungsgericht dies untersagt hatte. Doch die Entscheidung aus Karlsruhe war wenige Minuten zu spät gekommen. T. drohen in Ungarn bei einer Verurteilung bis zu 24 Jahre Haft.
Richter spricht von „Menschenjagd“
Hanna S. wurde in München vorgeworfen, an zwei Angriffen beteiligt zu sein. Die Opfer wurden den Angaben zufolge mit Schlagstöcken und Pfefferspray attackiert. Von einer Verurteilung wegen versuchten Mordes, wie sie die Bundesanwaltschaft gefordert hatte, sah das Gericht ab. Man sehe keine Belege für einen entsprechenden Tötungsvorsatz. Klar sei aber: Es gebe keine gute politische Gewalt.
„Selbst wenn man annähme, der Staat tue nicht genug gegen rechtsextreme Gewalt, rechtfertigt das nicht die Menschenjagd, die in Budapest betrieben wurde“, sagte der Vorsitzende Richter. Hanna S. und ihre Mitstreiter hätten sich zu denen gemacht, die sie eigentlich bekämpfen wollen: Verfassungsfeinde.
Das Gericht betonte, dass es sich bei dem Prozess im Hochsicherheitssaal in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim nicht um einen politischen Prozess gehandelt habe. Das sei eine Verschwörungsgeschichte. Hannas Unterstützer, die vor und nach dem Prozess eine Kundgebung abhielten, sahen das anders. Nach dem Prozess wurden unter anderem „Free Hanna“-Rufe und Forderungen nach der Freiheit für alle politischen Gefangenen laut.
Die Strafe hätte womöglich auch anders ausfallen können, wenn Hanna S. Reue gezeigt hätte, so die Richter. Doch ein Geständnis gab es nicht. Sonst wäre man bei der Gesamtstrafe „in einem ganz anderen Bereich“ gelandet, sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Er appellierte an die 30-Jährige, die als Künstlerin ausgezeichnet werden sollte, künftig mit Kunst und mit Worten auf das Weltgeschehen Einfluss zu nehmen - und nicht mit Gewalt.

Das Gericht ist überzeugt, dass Hanna S. gewalttätig geworden ist.
Foto: Felix Hörhager