Wirtschaft

Experiment bei Penny: Wie teuer Lebensmittel eigentlich sein müssten

Penny sorgt ab Montag für einen Preisschock der eigenen Art. Für neun Produkte kassiert das Unternehmen die „wahren Preise“. Dabei werden auch verdeckte Kosten bei der Produktion berücksichtigt.

Produkte deren Preis mit den verdeckte Kosten angepasst wurden, liegen an der Kasse.

Produkte deren Preis mit den verdeckte Kosten angepasst wurden, liegen an der Kasse. Foto: Oliver Berg

Es ist ein gewaltiger Preisaufschlag: Wiener Würstchen kosten plötzlich 6,01 Euro statt 3,19 Euro. Der Preis für Mozzarella erhöht sich von 89 Cent auf 1,55 Euro und für Fruchtjoghurt muss 1,56 Euro statt 1,19 Euro bezahlt werden.

In einem ungewöhnlichen Experiment verlangt der Discounter Penny ab Montag eine Woche lang für 9 seiner mehr als 3000 Produkte die „wahren Preise“ - also den Betrag, der bei Berücksichtigung aller durch die Produktion verursachten Umwelt- und Gesundheitsschäden eigentlich berechnet werden müsste.

Es ist ein gewagter Schritt in Zeiten, in denen viele Haushalte ohnehin unter der Explosion der Lebensmittelkosten leiden. Denn die Produkte vom Käse bis zum Wiener Würstchen werden dadurch um bis zu 94 Prozent teurer, wie die Handelskette am Sonntag mitteilte.

Die Mehreinnahmen werden gespendet

Dem Händler ist das durchaus bewusst, er will aber trotzdem ein Zeichen setzten. „Wir sehen, dass viele unserer Kundinnen und Kunden unter den unverändert hohen Lebensmittelpreisen leiden. Dennoch müssen wir uns der unbequemen Botschaft stellen, dass die Preise unserer Lebensmittel, die entlang der Lieferkette anfallen, die Umweltfolgekosten nicht widerspiegeln“, sagt Penny-Manager Stefan Görgens. Mit der einwöchigen Aktion in allen 2150 Filialen wolle das Unternehmen Problembewusstsein bei den Kunden schaffen.

Die Mehreinnahmen will die zur Rewe-Gruppe gehörende Kette nicht behalten, sondern für ein Projekt zum Klimaschutz und zum Erhalt familiengeführter Bauernhöfe im Alpenraum spenden.

Berechnet wurden die „wahren Preise“, bei denen neben den üblichen Herstellungskosten auch die Auswirkungen der Lebensmittelproduktion auf Boden, Klima, Wasser und Gesundheit einbezogen wurden, von Wissenschaftlern der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald.

„Wir lügen uns in die Tasche, wenn wir so tun, als hätte die heutige Lebensmittelproduktion keine versteckten Umweltfolgekosten“, sagt Amelie Michalke, die an der Universität Greifswald die ökologischen und sozialen Effekte der landwirtschaftlichen Produktion untersucht. Diese Kosten spiegelten sich zwar nicht im Ladenpreis wieder, doch fielen sie der Allgemeinheit und künftigen Generationen zur Last.

Aufschlag bei rein pflanzlichen Produkten am niedrigsten

Die Berücksichtigung dieser versteckten Kosten erhöht den Produktpreis häufig beträchtlich. Die 300-Gramm-Packung Maasdamer Käse etwa verteuert sich dadurch um 94 Prozent von 2,49 auf 4,84 Euro. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler kommen zum „normalen“ Preis noch versteckte Kosten in Höhe von 2,35 Euro hinzu: Allein 85 Cent für klimaschädliche Emissionen der Landwirtschaft wie Methan oder CO2.

Außerdem 76 Cent für die Bodenbelastungen durch die intensive Landwirtschaft zur Futterproduktion. Weitere 63 Cent für die Auswirkungen des Pestizideinsatzes und anderer Faktoren auf die Gesundheit der Landwirte. Und noch einmal etwas mehr als 10 Cent für die Belastung des Grundwassers etwa durch Düngemittel.

Doch ist der Preisaufschlag durch Einbeziehung der versteckten Umweltkosten nicht überall gleich. Deutlich geringer als bei Wiener Würstchen oder Joghurt fällt die Steigerung mit nur 5 Prozent bei einem veganen Schnitzel aus. Generell sei der notwendige Aufschlag bei rein pflanzlichen Produkten wegen der geringeren Umweltbelastung am niedrigsten, berichtet der Umweltökonom Tobias Gaugler von der Technischen Hochschule Nürnberg, der das Projekt begleitet. Deutlich höher sei er bei Milchprodukten und am höchsten bei Fleisch.

Penny will Bewusstsein für Nachhaltigkeit schaffen

Auch eine Studie der Universität Oxford kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass insbesondere die Preise für Fleisch bei Berücksichtigung der Treibhausgasemissionen und anderer Umweltschäden deutlich höher sein müssten.

Fragt sich nur, ob die Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts der allgemeinen Preissteigerungen Verständnis für das Experiment haben. „Das ist ein mutiger Schritt - gerade in Inflationszeiten“, meint der Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf.

Er prognostiziert: „Penny wird aller Voraussicht nach nicht viel von diesen Produkten verkaufen.“ Aber darum gehe es dem Unternehmen auch gar nicht. Es wolle Bewusstsein für Nachhaltigkeit schaffen und gleichzeitig die eigene Marke aufwerten, ist der Branchenkenner überzeugt.

Die Risiken der Aktion für den Discounter hält der Marketing-Fachmann für überschaubar - nicht zuletzt weil sie zeitlich befristet und auf wenige Produkte begrenzt ist. „Auch wenn die hohe Inflation zu großer Verunsicherung bei den Verbrauchern geführt hat: Ich glaube nicht, dass das die Aktion die Kunden vor den Kopf stößt - solange sie die Wahl haben, zu anderen Produkten zu greifen.“

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Von Christoph Willenbrink - Mein Standpunkt

Wir müssen uns ehrlich machen beim Einkaufen

Kennen Sie das auch - da hält man ein T-Shirt in der Hand, drei Euro soll es kosten, tadellos und doch haben sie ein Störgefühl. Wie soll das gehen, für drei Euro Baumwolle ernten, verweben, färben, nähen, bedrucken, verpacken, auf den Lkw, in den Container, aufs Schiff um die halbe Welt bis zu mir in den Laden, und überall soll da noch jemand was verdient haben.

Dass hier die Menschen in der Ferne den Preis zahlen, ist schnell klar. Dass die Umwelt hier einen genauso hohen Preis für unsere Billigmentalität zahlt, wird eher ausgeblendet.

Das Prinzip gilt: billig, billiger, am billigsten

Dies ist aber nicht nur bei der Mode so, unser täglicher Einkauf ist davon bestimmt. Alles, was wir auf dem Teller haben, unterliegt diesem Prinzip: billig, billiger am billigsten. Die heimischen Bauern können oftmals von den Erträgen nicht leben, selbst jetzt, wo die Erdbeeren doppelt so teuer geworden sind, die Milch 40 Prozent mehr kostet und Fleisch nur noch selten angeboten wird, wo das Kilo billiger als der Liter Rotwein ist.

Und dennoch sind all dies nicht die wirklichen Preise, denn sie lassen den „Kollateralschaden“ der industriellen Nahrungsmittelerzeugung außer Acht. Deshalb verdient das nicht ganz unriskante Experiment der Penny-Discounterkette höchsten Respekt, selbst wenn hier auch ne gehörige Portion Marketing drin ist. Der Discounter rückt in den Blick, dass wir mit unserem Streben nach billig die Umwelt und damit unsere Zukunft verfuttern.

Das billige Gas und das Ausblenden der Folgekosten

Das haben wir übrigens in der Vergangenheit auch mit billiger Energie getan und klagen heute darüber, dass wir, wenn wir eine Zukunft haben wollen, in Häuserdämmung und neue Heizungen investieren sollen, weil müssen.

Dass eine Erhöhung auf die „wahren Preise“ angesichts der Inflation, deren Ursache nicht in der Politik, sondern in einer Pandemie und vor allem in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine liegt, zur Unzeit kommt, ist nicht nur gefühlt völlig klar. Dumm ist nur, dass jedes Aufschieben am Ende nur teurer kommen wird. Deshalb: Nutzen wir den Anstoß, überprüfen unser Tun und treten wir Politik auf die Füße, aktiv zu werden und treten ihr nicht in den Hintern, wenn sie uns unliebsame Wahrheiten und Notwendigkeiten präsentiert.

1 Kommentare
Lampegustav 30.07.202314:37 Uhr

Schon verwunderlich dass Penny am Markt als Preisdrücker bekannt ist, nun solche Statements abgibt, da er für diese Entwicklung selbst mit verantwortlich zeichnet. Kaufe aber sicher nicht bei Penny, so komme ich nicht in Versuchung Jemand zu finanzieren der Politik des WEF unterstutzt!
Es kommen auch mal wieder ärmere Zeiten, also grab deinen Rasen um und pflanze dein Essen selbst an! Hilft Abzocke zu begegnen!

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