Politik

EU-Länder ringen um Klimaziele - Einigung in letzter Minute?

Die EU-Länder müssen sich auf zwei Klimaziele festlegen, für eins davon ist es allerhöchste Eisenbahn. Können sich die Umweltminister einigen?

Von Katharina Redanz und Larissa Schwedes, dpa
4. November 2025
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Laut EU-Klimagesetz muss die Staatengemeinschaft neben bestehenden Zielen für 2030 und 2050 auch festlegen, um wie viel Prozent die Treibhausgase bis 2040 reduziert werden. (Archivfoto)

Laut EU-Klimagesetz muss die Staatengemeinschaft neben bestehenden Zielen für 2030 und 2050 auch festlegen, um wie viel Prozent die Treibhausgase bis 2040 reduziert werden. (Archivfoto)

Foto: Monika Skolimowska

Wie viel weniger Treibhausgase sollen die EU-Länder bis 2040 ausstoßen - und wie soll das erreicht werden? Bei einem Treffen in Brüssel geht das Ringen um Zahlen und mögliche Flexibilität der Umweltminister und -ministerinnen der EU zum Klimaziel bis 2040 weiter. Außerdem wird über einen UN-Klimaplan bis 2035 verhandelt. Dieser wird für die in wenigen Tagen beginnende Weltklimakonferenz COP30 in Brasilien gebraucht und hätte längst eingereicht werden müssen. Am Nachmittag war noch kein Ende der Verhandlungen absehbar.

Auch losgelöst von Konferenzen drängt die Zeit, wie gewaltige Überschwemmungen oder Dürren immer wieder zeigen. Eine aktuelle Berechnung der Vereinten Nationen zeigt zudem: Die Welt ist fernab vom angestrebten Kurs.

Worüber genau wird in Brüssel verhandelt?

Laut EU-Klimagesetz muss die Staatengemeinschaft neben bestehenden Zielen für 2030 und 2050 auch festlegen, um wie viel Prozent die Treibhausgase bis 2040 reduziert werden sollen. Die EU-Kommission schlägt vor, die Emissionen in den nächsten 15 Jahren um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Grundlage dafür sind wissenschaftliche Erkenntnisse. Der Vorschlag braucht noch die Zustimmung der Mehrheit der EU-Staaten und des Europaparlaments. 

In mehreren Staaten regt sich jedoch Widerstand - sie verweisen etwa auf wirtschaftliche Belastungen, Probleme der Industrie und ein angespanntes geopolitisches Umfeld. Für den Beschluss ist eine sogenannte qualifizierte Mehrheit nötig. Dafür müssen 15 der 27 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren.

Was wird diskutiert? 

Es wird hart verhandelt, um wie viel die Emissionen bis 2040 reduziert werden sollen - um 90 Prozent oder weniger. Außerdem geht es noch um das Wie: Bislang muss die EU ihre Klimaziele durch Treibhausgas-Minderungen auf eigenem Boden erreichen. Auch geht es darum, wie eine Überprüfbarkeit des Ziels in dem Gesetzestext verankert wird.

Ferner sollen laut Kommissionsvorschlag nun bis 2040 drei Prozent durch international anerkannte Klimazertifikate kompensiert werden dürfen. Einige Länder wollen mehr. Linda Kalcher von der Brüsseler Denkfabrik Strategic Perspectives sagt, es bestehe die Gefahr, dass viele Länder fünf Prozent internationale Klimazertifikate nutzen wollten. „Was nach einem Freifahrtschein für die europäische Wirtschaft klingt, sorgt allerdings in der Realität dafür, dass dieses Geld außerhalb der EU investiert wird.“

Worüber wird noch verhandelt?

Außerdem gilt es bei dem heutigen Treffen noch, einen Klimaplan für 2035 zu beschließen. Dieser muss zur COP30 bei den Vereinten Nationen eingereicht werden. Die EU riss schon zwei Fristen dafür, nun - unmittelbar vor der Klimakonferenz - ist es der allerletzte Drücker. Bislang konnten sich die Länder nicht formell auf ein Ziel zur Minderung von Treibhausgasen für die nächsten zehn Jahre einigen, nur auf eine Absichtserklärung mit Zielkorridor. Darin heißt es, die EU wolle ihre Emissionen bis 2035 zwischen 66,25 Prozent und 72,5 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. 

Das Ziel muss nun noch formell beschlossen werden. Noch verhandelt wird, ob man mit einer konkreten Zahl oder einer Spannbreite als Ziel nach Brasilien reist - und wie diese Zahl oder Spannbreite genau aussehen soll. Der Klimaplan bis 2035 muss einstimmig beschlossen werden. Die EU gilt als weltweiter Vorreiter in der Klimapolitik. Das Ergebnis der Verhandlungen wird den Ton für die jährliche UN-Klimakonferenz prägen.

Welche Rolle spielt Deutschland?

Dass es bislang unmöglich war, eine Einigung für ein EU-Klimaziel für 2040 sowie bis 2035 unter den Mitgliedsstaaten zu finden, liegt am Widerstand mehrerer EU-Staaten - Frankreich und Polen etwa zeigten sich bis zuletzt skeptisch. 

Auch Deutschland sorgte dafür, dass es bislang zu keiner ausreichenden Mehrheit kam, obwohl der Vorschlag der EU-Kommission in den wesentlichen Punkten den im Koalitionsvertrag festgehaltenen Klimazielen der schwarz-roten Bundesregierung entspricht: Man wollte zuerst bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs über das Thema sprechen. Bei der Ankunft zum Treffen sagte Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD), Deutschland stehe für ein klares Klimaziel von 90 Prozent. „Ich unterstütze den Kommissionsvorschlag mit 3 Prozent internationalen Klimazertifikaten und so gehen wir in die Verhandlung rein.“

Außenminister Johann Wadephul (CDU) versicherte bei einer Konferenz in Berlin, durch den Regierungswechsel habe sich nichts an den deutschen Klimazielen geändert. Auf dem Weg dorthin setzte man allerdings stärker auf Wettbewerbsfähigkeit und Innovation statt auf Regulierung. 

Was passiert, wenn man sich nicht einigen kann?

Auf diese Frage geben EU-Diplomaten keine wirkliche Antwort. Fest steht aber, dass die EU ohne Einigung auf ein 2035er Ziel riskiert, mit leeren Händen zur Weltklimakonferenz zu reisen.

Wäre das denn ein Problem?

Ohne starkes Signal der EU wird es noch unwahrscheinlicher als ohnehin schon, dass die Weltgemeinschaft sich in Brasilien auf einen entschlosseneren Kampf gegen die Klimakrise einigt. Die Erde steuert den Vereinten Nationen zufolge mit der aktuellen weltweiten Klimapolitik bis zum Ende des Jahrhunderts auf 2,8 Grad Erwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit zu. Sehr wahrscheinlich werde das international vereinbarte 1,5-Grad-Ziel schon innerhalb des nächsten Jahrzehnts überschritten, teilte das UN-Umweltprogramm (UNEP) mit Sitz in Nairobi mit. Das würde nicht nur sehr viel häufigere und heftigere Extremwetterereignisse bedeuten, sondern auch, dass viele Weltregionen unbewohnbar werden könnten.

Geht man davon aus, dass die Staaten alles umsetzen, was sie sich in ihren nationalen Klimaschutzplänen vorgenommen haben, wäre der Berechnung zufolge bis Ende des Jahrhunderts mit 2,3 bis 2,5 Grad Erwärmung zu rechnen. Im vergangenen Jahr lag diese Prognose noch bei 2,6 bis 2,8 Grad. Allerdings seien für 0,1 Grad der Verbesserung methodische Änderungen verantwortlich, so die UNEP. Der Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen werde mit 0,1 Grad negativ ins Gewicht fallen.

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