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Das „Watt en Schlick“-Festival begeistert mit Musik abseits des Mainstreams

Wer sich ein Festival wünscht, auf dem einmal nicht Deutsch-Rap der oft dumpfen Sorte dominiert, auf dem es keine nächtlichen „Helga“-Rufe gibt, stattdessen auch Lesungen und Filme, der muss zum „Watt en Schlick“ nach Dangast fahren.

Einzigartige Atmosphäre: Das „Watt en Schlick“-Festival in Dangast bietet tolle Musik mit Blick aufs Watt beziehungsweise aufs Wasser.

Einzigartige Atmosphäre: Das „Watt en Schlick“-Festival in Dangast bietet tolle Musik mit Blick aufs Watt beziehungsweise aufs Wasser. Foto: Hansen

Gibt es ein anderes Festival, bei dem man nicht nur guter Musik lauschen kann, sondern dabei am Strand sitzen und aufs Wasser starren beziehungsweise aufs Watt? Ich wüsste nicht. Zumal das „Watt en Schlick“-Festival in punkto Schietwetter, unter dem Norddeutschland im Moment leidet, an diesem Wochenende ziemlich viel Glück gehabt hat. Die Sonne lässt sich oft blicken. „Watt en Schlick“ ist vor zehn Jahren von dem Kulturmanager Till Krägeloh aus der Taufe gehoben worden, um abseits der Metropolen einen kulturellen Höhepunkt zu setzen. Und das ist ihm auch in diesem Jahr wieder gelungen.

Sophie Hunger hatte sich mit ihrem Schweizer Landsmann Bonaparte (links) zusammengetan und bot ein energiegeladenes Set.

Sophie Hunger hatte sich mit ihrem Schweizer Landsmann Bonaparte (links) zusammengetan und bot ein energiegeladenes Set. Foto: Hansen

Das Line-up, das Krägeloh an die Küste geholt hat, hat nichts mit dem Mainstream zu tun, die Bands, die hier spielen, schrammen immer gerade so am radiotauglichen Massengeschmack vorbei, sind aber so cool und interessant, dass sie regelmäßig mehrere tausend Besucher anlocken.

Auch das Publikum ist bunter als bei Festivals üblich. Vertreten sind alle Altersgruppen, vom Säugling bis zum rüstigen Rentner. Junge Familien schlendern über den Strand, Kinder spielen im Sand oder robben durch den Schlick, die Party-Bedürfnisse der Jüngeren werden von Bands wie der Elektro-Dance-Combo FM Belfast oder dem Glamour-Pop-Trio Blond bestens bedient, die Älteren wippen begeistert mit und erinnern sich an ihre Jugend, wenn Noise-Rock-Bands wie Pip Blom oder Dry Cleaning ihre Gitarren sprechen lassen. Auf die musikalische Weltbürgerin Sophie Hunger können sich alle einigen.

Die Performance-Künstlerin Peaches setzt auf schräge Kostüme und Kontakt zum Publikum.

Die Performance-Künstlerin Peaches setzt auf schräge Kostüme und Kontakt zum Publikum. Foto: Hansen

Überhaupt sind die Besucher mit Neugierde und norddeutscher Offenheit bei der Sache. Sie hören zu, auch wenn Ungewohntes geboten wird. Die Performancekünstlerin Peaches zum Beispiel, die mit einem Outfit aus aufgenähten Brüsten vors Publikum tritt und zu wummernden Elektro-Beats Oden an „Pussys“ und „Tits“ ins Publikum schleudert. Ob ihre feministische Botschaft, dass Frauen ihrem Körper positiv gegenüberstehen sollen, egal wie er aussieht, bei allen ankommt, darf man aber bezweifeln. „Krasse Bühnenshow“, kommentiert neben mir ein Mittvierziger, „aber die Musik ist geil“.

Überhaupt zog es einige Musiker, hier zwei Mitglieder der Band Ezra Collective, auf dem „Watt en Schlick“ in Publikum.

Überhaupt zog es einige Musiker, hier zwei Mitglieder der Band Ezra Collective, auf dem „Watt en Schlick“ in Publikum. Foto: Hansen

Oder die Sleaford Mods, zwei mittelalte Herren aus Nottingham, England. Jason Williamson, der seinen Frust über Banken, Rechtspopulisten, unfähige Tories und überhaupt die Ungerechtigkeiten der britischen Welt in wütende Texte kleidet und sie ins Publikum bellt, während Andrew Fearn am Laptop minimalistische Elektro-Punk-Beats dazu liefert. Eine Art kathartisches Absondern von Wut, das von Album zu Album erfolgreicher wird. In Dangast kam es gut an, auch wenn wohl kaum einer im Publikum die im schnellen Midlands-Slang vorgetragenen Texte verstehen kann.

Es gibt sie noch, die langhaarigen Rock-Helden: Bassist Lewis Maynard von der Post-Punk-Band Dry Cleaning.

Es gibt sie noch, die langhaarigen Rock-Helden: Bassist Lewis Maynard von der Post-Punk-Band Dry Cleaning. Foto: Hansen

Wem das alles ein bisschen zu laut und zu bunt ist, der kann auf dem „Floß“, einer kleinen Bühne im Watt, den Geschichten von Rocko Schamoni lauschen oder sich Filme wie „Mittagsstunde“, „Sonne und Beton“ oder „Lars Eidinger - Sein oder Nichtsein“ ansehen.

Am Ende passt alles. Auch wenn mit Roisin‘ Murphy, der früheren Sängerin von Moloko, einer der Headliner wegen Krankheit plötzlich ausfällt. Als Ersatz kann die Festivalleitung den Hamburger DJ Koze gewinnen, der mit glasklaren und grandiosen Disco-Beats das „Watt en Schlick“-Publikum in die Nacht entlässt. Wie hat der Frontmann der Jazz-Combo Ezra Collectives“ am Nachmittag geschwärmt? „That‘s one of the most beautiful festival places we have ever been“, sagte er. Dem ist nichts hinzufügen.

Pip Blom

Pip Blom Foto: Hansen

Inga Hansen

Reporterin

Inga Hansen, Jahrgang 1962, arbeitet seit 1993 als Redakteurin in der Landkreis-Redaktion der NZ. Zuvor hat die gebürtige Ratzeburgerin in Hamburg Politikwissenschaft und Öffentliches Recht studiert. Ihr Interesse gilt neben der Politik Pop-Musik, Literatur und Filmen.

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