Wie ein Huhn in Waddens ein Wohnzimmer erkundete

Die Hühner meines Vaters picken normalerweise in ihrem umzäunten Auslauf auf dem Nachbargrundstück friedlich vor sich hin. Manchmal gackern sie etwas laut, wenn ein großer Vogel bedrohlich nah über dem Auslauf vorbeifliegt oder wenn der Hahn ungestüm nah kommt. Ansonsten führen sie eigentlich ein unaufgeregtes Hühnerleben. Eines der Hühner - ein italienisches Leghorn - wollte nun mal etwas anderes erleben. Es schaffte es irgendwie, aus dem Auslauf auszureißen und durch den Graben auf das angrenzende Feld zu gelangen. Es durchquerte so gemütlich das hohe Gras und ging seines Weges. Zufällig sah ein Kind aus der direkten Nachbarschaft das Huhn auf seinem kleinen Abenteuer. Sofort kam das Kind herübergelaufen und klingelte an Bökers Haustür, um zu berichten, dass ein weißes Huhn ausgebüxt sei. Meinen Vater interessierte das nicht sonderlich, da er wusste, dass diese Rasse nur sehr schwer einzufangen ist. Also nahm er die Information zur Kenntnis und ging weiter seiner Arbeit nach. Etwas später klingelte das Telefon. Ein weiterer Nachbar hatte das Huhn auf dem Ziegeleiweg gesichtet. Meinen Vater interessierte es nach wie vor nicht, da er sich mit dieser Hühnerrasse nicht anlegen wollte. Das Huhn entschied sich derweil umzukehren. Es lief zurück und landete im Garten von Nachbarn. Dort stand die Tür zum Wohnzimmer offen. Das Huhn lief neugierig hinein. Es sah zum ersten Mal in seinem Leben ein Sofa und da war eine amüsierte Frau und ein ganz aufgeregter Mann, der sich über den Überraschungsbesuch nicht zu freuen schien. Schnell wurde das Huhn aus dem Wohnzimmer hinaus gescheucht. Am Abend, als mein Vater seine Hühner in den Stall bringen wollte, saß oben auf dem Auslaufgitter das weiße Huhn. Es war zurückgekehrt. Am nächsten Tag brachte mein Vater den Nachbarn, die spontanen Hühnerbesuch gehabt hatten, zur Entschuldigung zehn frische Eier vorbei.