Als ich vor knapp 24 Jahren Mutter wurde, konnte ich es nicht fassen: Jahrelang wunderte ich mich, dass nicht täglich 100.000 Mütter protestierend durch Berlin marschierten. Ich vermutete, sie waren zu erschöpft. Denn fürs Muttersein gilt: Das Kind ist das Geniale daran, die gesellschaftlichen Bedingungen sind hingegen saumäßig. Mit der Geburt des Babys war ich plötzlich - wie alle anderen Mütter auch - mit Erwartungen an die Kindererziehung und meiner aufopferungsvollen Rolle dabei konfrontiert, alten Klischees von Rabenmüttern und - weitaus schwerwiegender - sehr handfesten Nachteilen: Mütter mit einem Kind, so hat es eine Studie der Bertelsmann-Stiftung 2020 ermittelt, verdienen in ihrem Leben 43 Prozent weniger als Frauen ohne Kind. Bei drei Kindern und mehr erwirtschaften sie sogar 68 Prozent weniger. Kein Wunder: Trotz der Verbesserungen in den 24 Jahren, die ich beobachte, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Kind weiterhin ein riesiges Problem und treibt Mütter in Teilzeit-Jobs. Doch nun ist es endlich passiert: Am Samstag, einen Tag vor Muttertag, sind Frauen tatsächlich durch Berlin marschiert. Das Motto der Initiative, die von mehreren Verbänden getragen wurde, lautete: 100.000 Mütter. Leider waren es nur rund 1.000, die auf die Straße gingen. Es soll, so die Veranstalterinnen, aber erst der Auftakt gewesen sein.
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