„Die Menschen treffen sich wieder, die Menschen streiten sich wieder“ - mit diesen Worten fasst Wilfried Grieme, Leiter der Polizeiinspektion (PI) Delmenhorst/Oldenburg-Land/Wesermarsch, das vergangene Jahr aus polizeilicher Sicht zusammen. Betrug die Gesamtzahl der Fälle, mit denen man sich in der Wesermarsch befassen musste, im Corona-Jahr 2021 noch 4117, so waren es im Folgejahr 4658. Damit befindet man sich im Landkreis wieder auf Vor-Corona-Niveau. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 gab es 4632 Fälle.
Im Zuständigkeitsbereich des Polizeikommissariates (PK) Nordenham, das für die Sicherheit von 45.369 Menschen in Nordenham, Butjadingen, Stadland und Jade verantwortlich zeichnet, ist die Entwicklung ähnlich: Auf 2.224 Fälle im Jahr 2021 folgten 2.566 im vergangenen Jahr. Ein deutlicher Anstieg, doch immerhin waren das 232 weniger als im letzten Jahr vor der Pandemie.
Trotz des Anstiegs der Fallzahlen von 2021 auf 2022 gebe es also keinen Grund besorgt zu sein, sagt PK-Leiter Henrik Hackmann. „Die nördliche Wesermarsch ist eine sichere Region“, betont er. Sein Vorgesetzter Wilfried Grieme ergänzt: „Die Polizei leistet hier hervorragende Arbeit.“
Das Polizeikommissariat Nordenham unterscheidet in seiner Kriminalstatistik zwischen einzelnen Delikt-Arten. Hier ein Überblick über die jeweilige Entwicklung:
Kriminalitätsstatistik
Quelle: Polizeikommissariat Nordenham, Icons: flaticon
- Rohheitsdelikte: Unter Rohheitsdelikten versteht die Polizei Raub, Körperverletzung und Straftaten gegen die persönliche Freiheit. Hier registrierte das PK im vergangenen Jahr 480 Fälle, im Jahr zuvor waren es 356 gewesen. Im Vor-Corona-Jahr 2019 lag die Zahl bei 545. Diese Schwankungen seien ganz normal bei dieser Delikt-Art, sagt PK-Chef Henrik Hackmann.
Als besonders dramatisch ist seinem Kollegen Bernd Morawietz, Leiter des Kriminal- und Ermittlungsdienstes in Nordenham, ein Vorfall aus dem April vergangenen Jahres in Erinnerung geblieben. An der Ilsestraße in Nordenham kam es damals zu einem Streit zwischen zwei Jungen, die damals zwölf und 13 Jahre alt waren. Die Situation eskalierte, der 13-Jährige zückte ein Messer. Er stach und stieß es gegen den Kopf seines Opfers, das zum Glück einen Fahrradhelm trug.
Die Aufklärungsquote bei den Rohheitsdelikten betrug im vergangenen Jahr 93,75 Prozent.
- Eigentumsdelikte: Die Zahl der Eigentumsdelikte ist von 2021 (496 Fälle) auf 2022 (751) signifikant gestiegen. Im Jahr 2019 hatte es 638 Fälle gegeben. Bernd Morawietz: „Es kommt vermehrt zu Ladendiebstählen, oft geht es dabei nur um Diebesgut im Wert von 10, 20 Euro.“ Meist seien es Lebensmittel und Getränkeflaschen, die entwendet werden. Es sei davon auszugehen, dass Geldnot, bedingt durch Inflation und Preissteigerungen, die Menschen vermehrt zu solchen Taten treibt.
Auch Taschendiebstähle seien zurzeit ein Problem. Wer im Supermarkt einkauft, sei gut beraten, sein Portemonnaie am Körper zu tragen. Wer die Brieftasche, in eine Handtasche gesteckt, im Einkaufswagen deponiert, mache es Dieben leicht. Die Aufklärungsquote bei Eigentumsdelikten lag im vergangenen Jahr bei 45,81 Prozent.
- Wohnungseinbruchdiebstahl: Während der Hochphase der Pandemie war das Reisen schwierig bis unmöglich. Manch einer verbrachte seinen Urlaub in den eigenen vier Wänden. Für Einbrecher waren das schwierige Zeiten. Aber die sind nun vorbei: Die Zahl der Wohnungseinbruchdiebstähle verdreifachte sich von 2021 (14) auf 2022 (39) nahezu. Im Jahr 2019 hatte es 30 registrierte Taten gegeben.
Die gute Nachricht hierbei: In 14 von 39 Fällen blieb es im vergangenen Jahr beim versuchten Einbruch. Die Täter scheiterten an den besonders gesicherten Türen und Fenstern - oder aufmerksame Nachbarn schlugen Alarm. Die Aufklärungsquote: 46,15 Prozent.
- Rauschgiftkriminalität: Die Zahl der Rauschgift-Delikte unterliege starken Schwankungen, sagt Bernd Morawietz vom Kriminal- und Ermittlungsdienst. Tendenzen seien nicht erkennbar. Gab es 2020 insgesamt 236 Fälle, so waren es im Folgejahr 193 und 2022 dann 168. Die Aufklärungsquote betrug im vergangenen Jahr 93,45 Prozent.
- Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte: Ob Nötigung und Bedrohung, Körperverletzung, tätlicher Angriff oder Widerstand: Tendenziell steigt die Zahl der Fälle, bei denen Polizistinnen und Polizisten angegangen werden, seit Jahren stetig an. „Jeder Fall ist einer zu viel“, betont PI-Chef Wilfried Grieme und fordert eine gesellschaftliche Ächtung solcher Taten.
Lag die Zahl der Delikte 2018 noch bei elf, so gab es 2022 schon 19 Fälle. Bernd Morawietz nennt als Beispiel einen Vorfall aus dem vergangenen Mai: Ein alkoholisierter 37-Jähriger versuchte damals in Abbehausen vergeblich, Fahrräder zu stehlen. Als die Polizei ihm einen Platzverweis erteilen wollte, rastete der Mann völlig aus. Erst mit herbeigerufener Verstärkung und Pfefferspray gelang es, den Randalierer in die Schranken weisen.

Präsentierten am Freitag die Kriminalstatistik für die nördliche Wesermarsch (von links): Bernd Morawietz (Leiter des Kriminal- und Ermittlungsdienstes beim Polizeikommissariat Nordenham), Inspektionsleiter Wilfried Grieme und Kommissariatsleiter Henrik Hackmann.
Foto: Kühnemuth
Die Zahlen aus der mittleren und südlichen Wesermarsch
Im Zuständigkeitsbereich des Polizeikommissariates Brake (Brake, Ovelgönne, Elsfleth, Berne und Lemwerder) ist die Gesamtzahl der Fälle von 2021 (1.893) auf 2022 (2.092) ebenfalls spürbar gestiegen. Die Aufklärungsquote lag hier bei 68,02 Prozent.Rohheitsdelikte gab es im vergangenen Jahr 419 - und somit 61 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Eigentumsdelikte kletterte von 418 im Jahr 2021 auf 514 im Jahr danach.Auch bei den Wohnungseinbruchdiebstählen ist die Zahl der Fälle gestiegen - von 20 im Jahr 2021 auf 39 im Jahr 2022. Bei der Rauschgiftkriminalität gab es in diesem Zeitraum einen Anstieg von 198 auf 231 Delikte.Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte ist auch in der mittleren und südlichen Wesermarsch zunehmend ein Problem. Gab es 2021 insgesamt 13 Fälle, so waren es im Jahr danach 21.