Nordenham

Ohne Privatspenden kommen die Tafeln nicht mehr klar

Den Tafeln geht es nicht gut in Deutschland. Sie bekommen zu wenige Lebensmittel, weil die Supermärkte ihre Logistik immer weiter optimieren und daher weniger zu verschenken haben. Das ist in Nordenham genauso. Aber hier schließen Spenden die Lücke.

Ausgabe der Nordenhamer Tafel am Tag vor Heiligabend. Die Schlange war etwa 50 Meter lang. Die Tafel hat die Bedürftigen in diesem Jahr nur versorgen können, weil viele Privatleute Geld oder Lebensmittel gespendet haben.

Ausgabe der Nordenhamer Tafel am Tag vor Heiligabend. Die Schlange war etwa 50 Meter lang. Die Tafel hat die Bedürftigen in diesem Jahr nur versorgen können, weil viele Privatleute Geld oder Lebensmittel gespendet haben.

Foto: Heilscher

Am Tag vor Heiligabend erstreckt sich die Schlange vom Hof der Tafel bis zur Friedrich-Ebert-Straße. Dutzende von Menschen stehen an und warten darauf, dass sie an die Reihe kommen. Das Tafelteam ist heute verstärkt worden vom katholischen Pfarrer Karl Jasbinschek und der evangelischen Kreispfarrerin Christiane Geerken-Thomas. Auch Aktive der Wählerinitiative Nordenham (WIN) sind heute dabei. Sie geben Spenden aus der Aktion Umgekehrter Adventskalender aus. Eine ganze Bude haben sie damit gefüllt.

Verteilt werden auch Lebensmittelspenden, die die Lions-Frauen vor Weihnachten bei Edeka gesammelt haben. Mit einem beeindruckenden Ergebnis: So kamen 25 prall gefüllte Einkaufwagen mit einem Warenwert von gut 5.000 Euro zusammen. Zusätzlich wurden von den Kunden 600 Euro in bar gespendet. Der Lionsclub Emy Rogge sammelt seit über zehn Jahren in der Vorweihnachtszeit Spenden für die Tafel.

„Die Spendenbereitschaft in der Wesermarsch ist sehr groß“, sagt Süntka Janßen, die Leiterin des Arbeitslosenzentrums und der Tafel. Die oben erwähnten Beispiele zeigen das. Hier noch zwei. Die Raiffeisenbank Butjadingen-Abbehausen hat der Tafel vor Weihnachten Lebensmittel im Wert von 1500 Euro zukommen lassen. Airbus hat kistenweise Schokolade vorbeigebracht. Süntka Janßen macht deutlich, dass das Modell Tafel ohne Spenden nicht mehr funktionieren würden. Die Lebensmittel, die die Supermärkte abgeben, reichen spätestens seit diesem Jahr nicht mehr. Und dennoch: „Wir sind eine der ganz wenigen Tafeln in Deutschland, die keinen Aufnahmestopp für neue Bezieher von Lebensmitteln haben“, betont sie.

Die Tafel versorgt von Nordenham aus mehr als 2000 Menschen in der Wesermarsch, darunter rund 500 Kinder. Die Tafel hilft mit ihren Lebensmittel auch vielen Flüchtlingen. Zurzeit sind viele Ukrainer unter den Kunden. Wer bei der Tafel Lebensmittel bekommen möchte, muss seine Bedürftigkeit nachweisen. Bedürftig ist, wer von Hartz IV oder entsprechenden Sozialleistungen lebt. Die Bezieher erhalten einen Tafel-Ausweis. Außer in Nordenham gibt die Nordenhamer Tafel Lebensmittel in Butjadingen, Rodenkirchen und Brake aus.

Gespendet wird nicht nur zu Weihnachten. „Es kommen immer wieder Leute vorbei, die uns eine Tüte Lebensmittel bringen. Oder Geld spenden“, erläutert Süntka Janßen. So hätten eine Reihe von Bürgern die Energiepauschale in Höhe von 300 Euro mit dem Hinweis vorbeigebracht, dass sie auch ohne dieses Geld klarkommen, die Tafel es aber sicher gut gebrauchen könne. Immer häufiger werde auch bei Traueranzeigen um Spenden für die Tafel gebeten - statt des Geldes für einen Kranz. Oder bei Konfirmationen oder Hochzeiten gibt es eine Kollekte zugunsten der Tafel. Auf rund 4000 Euro monatlich beziffert Süntka Janßen die Summe der Geldspenden.

Mit dem Geld kauft die Tafel nicht nur Lebensmittel. Sie muss auch den Strom fürs Kühlhaus und die Kühlaggregate finanzieren und die Transporter, mit denen die Lebensmittel abgeholt und zu den Ausgabestellen gebracht werden.

Um die Tafel am Laufen zu halten, helfen viele Menschen mit. Menschen, die die Lebensmittel in den Supermärkten abholen, die sie am Tafel-Standort beim Arbeitslosenzentrum an der Viktoriastraße einsortieren, die sich um die Verteilung zu den Ausgabestellen und dann um die Ausgabe kümmern. Und auch diejenigen, die den Kontakt zu den Supermärkten halten und die neue Quellen für Lebensmittelspenden akquirieren. 40 Ehrenamtliche unterstützen die Tafel, meist stundenweise. Hinzu kommen zwölf Festangestellte, darunter Ein-Euro-Kräfte.

Was die Ein-Euro-Kräfte anbetrifft, ließ Mitte des Jahres eine Nachricht aus dem Jobcenter den Puls der Verantwortlichen in die Höhe gehen. Die Finanzierung der Stellen durch das Jobcenter drohte wegzufallen. Dann wäre die Tafel in große Nöte gekommen. Doch zum Glück ließ sich dieses Problem noch abwenden. Rückblickend spricht Süntka Janßen „von einem großen Auf und Ab im Jahr 2022 - auch einem großen Auf und Ab der Gefühle“.

Um unabhängiger zu werden von den Lebensmittelabgaben der Supermärkte, will die Tafel ab diesem Jahr einen Teil ihrer Nahrungsmittel selbst anbauen. Mitarbeiter der Tafel werden dafür die Gewächshäuser der Jugendwerkstätten Meyershof in Brake nutzen - unter fachlicher Anleitung. Fördermittel sind genehmigt. Süntka Janßen sieht in dem Projekt auch eine soziale Qualität: „Es bringt die Menschen zusammen, wenn sie zusammen gärtnern.“

Zur Selbstversorgung gehört auch das Projekt Tomaten-Patenschaften. Die Tafel gibt Tomatenpflanzen an Bürger aus mit der Bitte, diese zu hegen und zu pflegen und die Ernte der Tafel zu spenden. Das bringt auch weitere Bürger aus der Wesermarsch mit der Tafel zusammen.

Aktion Umgekehrter Adventskalender. Kunden der Tafel konnten sich aus dem reichhaltigen Angebot an Spenden bedienen. Ausgegeben wurden die Spenden von Silvia Gorges, Amal Al Sahli und Joachim Gorges (von links). Der Umgekehrte Adventskalender ist eine Aktion der Wählerinitiative Nordenham.

Aktion Umgekehrter Adventskalender. Kunden der Tafel konnten sich aus dem reichhaltigen Angebot an Spenden bedienen. Ausgegeben wurden die Spenden von Silvia Gorges, Amal Al Sahli und Joachim Gorges (von links). Der Umgekehrte Adventskalender ist eine Aktion der Wählerinitiative Nordenham.

Foto: Heilscher

Christoph Heilscher

Redaktionsleiter Kreiszeitung Wesermarsch

Christoph Heilscher ist Redaktionsleiter der Kreiszeitung Wesermarsch. Seine journalistischen Schwerpunkte sind die regionale Wirtschaft, Landwirtschaft und Naturschutz, Kommunalpolitik sowie Geschichten über Land und Leute.

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