In allen Branchen fehlen junge Menschen, die dort eine Ausbildung beginnen, um die Fachkräfte von morgen zu werden. Das ist in der Industrie so, und das ist in Verwaltungsberufen nicht anders. Diese Entwicklung ist eine Folge des demografischen Wandels. Es gibt weniger junge Menschen. Und es kommt ein Problem hinzu: Die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, gehen nun nach und nach in Ruhestand.
Bei den Friseurinnen wird es langsam kritisch
Kritisch wird die Lage bereits in einigen Handwerksberufen. Auch in der Wesermarsch. Innerhalb von zehn Jahren ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Landkreis um gut 27 Prozent zurückgegangen. Gerade einmal noch 15 junge Menschen erlernen in der gesamten Wesermarsch derzeit den Beruf der Friseurin beziehungsweise des Friseurs - über alle Ausbildungsjahre gerechnet. Von Jahr zu Jahr geht die Zahl zurück. Als Konsequenz aus dieser Entwicklung ist die überbetriebliche Ausbildung der Friseurinnen bereits aus der Wesermarsch abgezogen worden. Auch in den Nahrungsmittelberufen, wie Bäcker und Fleischer, sei die Situation schwierig geworden, sagt Thomas Sturm, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft.
Von 12.000 runter auf 7500 Auszubildende
Die Wesermarsch steht mit diesem Problem nicht alleine da. Im Zuständigkeitsbereich der Handwerkskammer Oldenburg ist die Gesamtzahl der Auszubildenden innerhalb eines Jahrzehnts von rund 12.000 auf aktuell 7.500 zurückgegangen. Das ist ein bundesweiter Trend. Ausgenommen sind allenfalls Regionen mit einem geringen Angebot an Arbeitsplätzen. Die Wesermarsch ist eine Region mit vielen Jobs. 5.000 Industriearbeitsplätze gibt es allein in Nordenham. Entsprechend groß ist die Konkurrenz um die Lehrlinge.

Und noch ein Beruf, in dem händeringend Nachwuchs gesucht wird: Bäcker.
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Kreishandwerkerschaft: Zuwanderung bringt nicht die Lösung
Was tun? Laut Bundesagentur für Arbeit hat Deutschland einen Zuwanderungsbedarf von 400.000 Fachkräften im Jahr. Welche Rolle spielt Zuwanderung für das Handwerk in der Wesermarsch?
Es gebe einzelne, sehr gelungene Beispiele für eine gute Integration in Betrieb und Beruf, hebt Thomas Sturm hervor. Andererseits stünden in vielen Fällen mangelnde Deutschkenntnisse und fehlende soziale Integration einer langfristigen erfolgreichen Zusammenarbeit im Wege.
So haben sich eine Reihe von Betrieben aus der Wesermarsch um junge Spanier bemüht. In Spanien ist die Jugendarbeitslosigkeit hoch. Die meisten dieser Spanier haben die Wesermarsch inzwischen wieder verlassen. Zuwanderung könne eine Hilfe sein, aber man dürfe die Chancen, die sich daraus ergeben, nicht überschätzen, unterstreicht Thomas Sturm.
Eine Idee könnte es sein, deutsche Jugendliche aus Regionen mit einem geringen Angebot an Arbeits- und Ausbildungsplätzen in die Wesermarsch zu holen, fährt der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft fort. Da bedürfe es einer abgestimmten Initiative von Wirtschaft und öffentlicher Hand. Der Landkreis könnte sich bei der Bereitstellung von Unterkünften engagieren, schlägt Thomas Sturm vor. Solch eine Initiative gab es vor einigen Jahren auch schon einmal aus der Nordenhamer Industrie. Doch dieses Projekt ist bislang nicht konkret geworden.
Weniger Bürokratie und intensive Betreuung schwächerer Azubis
Als kurzfristig greifende Maßnahmen schlägt Thomas Sturm einen schnelleren Übergang in den Arbeitsmarkt für Flüchtlinge vor und empfiehlt weniger Bürokratie bei der Anerkennung im Ausland erworbener Berufs- und Bildungsabschlüsse. Doch das seien alles nur Tropfen auf den viel zitierten heißen Stein. Letztlich müsse sich die Gesellschaft darauf einstellen, mit dem Mangel umzugehen. „Wir sind verwöhnt aus den Jahren zuvor“, aber so werde es nicht weitergehen.
Einen anderen Aspekt nennt Kai Vensler, Geschäftsbereichsleiter Berufsbildung bei der Handwerkskammer Oldenburg. Auch eher lernschwache Schulabsolventen sollten eine Chance auf Ausbildung bekommen. „Schwächere Ausbildende sollten intensiver betreut werden“, rät er. Und den Betrieben, die das noch nicht tun, empfiehlt er, bei der Suche nach Auszubildenden ihre Stärken offensiv darzustellen und sich aktiv um Lehrlinge zu bemühen.