„Ich muss erst was Altes abreißen, um was Neues aufzubauen, ich hab sonst nicht genug Legosteine.“ Und so schlägt seinem neuesten, raumfüllenden Modell aus fast 100.000 Legostückchen wohl bald die Stunde: Denn der Maurer hat einen Traum. Für den braucht er wieder zigtausende Steinchen. Es sei denn.... aber dazu später.

Drei Meter lang und 87 Zentimeter hoch ist die Konstruktion und hat sogar bewegliche Fensterflügel und Licht.
Foto: Arnd Hartmann
Giebel, Erker, Simse, Bögen, Zinnen, Fenster: Ziegel für Ziegel neugotischer Baustil der frühen Gründerzeit. Als der alte Fischereihafen Geestemünde florierte, musste um 1860 ein großer Speicher her. Der war rot. Ziegelrot.
Historischer Fischerei-Speicher wurde in 158 Jahren oft „modernisiert“
Das 90 Meter lange, 20 Meter breite Gemäuer am Handelshafen wurde seitdem x-mal „modernisiert“. Das letzte Gepräge hat die Firma Nordsee dem Speicher und seiner Fassade verpasst, als sie es ab 1930 zur Verwaltungszentrale umrüstete.

Am Handelshafen entsteht der neue "Wissenschafts-Campus" des Alfred-Wegener-Instituts: Links im Bau ist das künftige Labor mit Experimentierhallen, das "Technikum", dahinter zu sehen der frisch sanierte Altbau der "Nordsee" - eine einstige Fisch-Lagerhalle - , den die Fischereihafen-Betriebsgesellschaft für das AWI aufwendig restauriert hat.
Foto: Schwan
„Ich habe seit vorigen August daran mitgebaut und mitrestauriert“, erzählt Uwe Naumann, seit 1990 FBG-Handwerker, und zeigt am - noch eingerüsteten - Südgiebel auf jenes Stückchen historischen Backstein, das in ihm laut „Klick“ gemacht hat.

Das einstige Kinderzimmer vom Sohn wird zur Großbaustelle: Als Erstes baut Maurer Uwe Naumann die Trägerkonstruktion eines Gebäudes, damit er alles Weitere ohne Einsturzgefahr darauf aufbauen kann. Auf dem Handy hat der Bremerhavener alle Bauschritte dokumentiert.
Foto: Arnd Hartmann
Und dann legte der Maurer los, zu Hause, auf dem Fußboden im Ex-Kinderzimmer seines Sohnes Dennis. Erst auf einer Lego-Unterplatte, dann verschraubt auf einer Sperrholz-Platte mit Rollen. „Immer nach der Arbeit noch zwei Stunden. Meine Frau kennt das schon.“
Allein das schwarze Dach hat er mit 10.000 Steinchen „Stufe für Stufe auf das Trägergerüst gesteckt.“ Zehn Stunden lang. Und nie die Lust verloren? Er guckt empört.

Um etwas Neues zu bauen, muss Maurer Naumann erst ein anderes Modell abreißen, weil er die Steine braucht. Aus dem historischen Hauptbahnhof wurde in wochenlanger Handarbeit das historische Gebäude der Nordsee nachkonstruiert.
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Was in fizzeliger Handarbeit bis zum Advent emporwuchs, ist ein bis ins Detail rekonstruiertes Modell im Maßstab 1:23. Heißt: Ein Meter Modell entspricht 23 Metern im Original. Fast. „Es gibt einen Schönheitsfehler“, gesteht der Handwerker, den nie der Ehrgeiz zum Meister-Titel kitzelte. „Die Steine waren alle, ich hab gemogelt, es fehlt fast ein Modell-Meter, also 23 reale Gebäude-Meter.“
Vaddern im Fisch, Onkel Maurermeister - und Klein-Uwe vom Bauen fasziniert
Tut aber nix. Denn jeder Zentimeter ist ein kleines Meister-Werk. Ingenieurskunst. Aber auch das war nie Naumanns Berufswunsch. „Ich bin mit ganzer Seele Handwerker, ich wollte nie etwas anderes.“
Auch nicht „in den Fisch, wie Vaddern.“

Als Erstes baut Maurer Uwe Naumann die Trägerkonstruktion eines Gebäudes, damit er alles Weitere ohne Einsturzgefahr Legosteinchen für Legosteinchen darauf aufbauen kann. Auch das originalgetreue, mit Liebe zum Detail nachgebaute Modell der alten Nordsee am Handelshafen: Auf dem Handy hat der Bremerhavener alle Bauschritte dokumentiert.
Foto: Schwan
Mit seiner ersten Kamera. „Ich hab alles fotografiert, was ich vom Inneren, von den Trägern und Pfeilern sehen konnte. Ich wollte wissen, wie ein Haus konstruiert ist, damit es nicht einstürzt.“

Naumanns ehrgeiziger nächster Traum: Das historische Kühlhaus am Alten Hafen originalgetreu aus braunen Legosteinen nachzubauen. 1975 wurde es abgerissen. Foto Archiv/Repro Hartmann
Foto: Archiv/Arnd Hartmann
Siedlungshäuser, Mehrfamilienhäuser, Leuchttürme, Windmühlen, und auch das Kühlhaus - ziemlich klein. „Das mach ich mal in Groß. Als 3-D-Modell im Computer hab ich’s schon.“ Ein größerer Traum: Das historische Auswandererhaus.
Dazu braucht er Unmengen roter Steine. Und die stecken alle im Nordsee-Modell...
Die FBG sucht derzeit einen Dauer-Platz für das Prachtgebäude. „Es ist großartig“, schwärmt FBG-Prokurist Sebastian Gregorius, „sogar beleuchtet hat er es. Toll, dass sich jemand von uns so mit einem Gebäude identifiziert.“ Als die Geschäftsleitung davon erfuhr, galt es, für den Transport erst wieder alles zu zerlegen.
Kurios sei, erzählt Gregorius, dass sein eigener Sohn Nicolas „beruflich bei Legoland arbeitet.“ An günstigere Steine komme der aber auch nicht. „Dann reiße ich‘s halt wieder ab“, sagt Uwe Naumann.