Nordsee-Zeitung.de hat ausführlich über die Lieferung von Militärgütern der US-Armee wegen des Ukraine-Krieges via Bremerhaven berichtet. Unter anderem haben wir auf Luftbildern gezeigt, wie viele und welche Militärfahrzeuge im Hafen von Bremerhaven entladen wurden. Uns haben Reaktionen und auch Sorgen von Lesern dazu erreicht. Wir beantworten relevante Fragen zu diesem Komplex.
Verraten unsere Fotos militärische Geheimnisse?
Nein. Die US-Armee geht mit ihren Lieferungen von Militärgütern für die Ukraine deutlich offener um, als das von der deutschen Öffentlichkeit an- und wahrgenommen wird. Am 24. Februar etwa veröffentlichte das Verteidigungsministerium der USA eine detaillierte Liste, aus der seitenlang hervorgeht, welche Waffen und Materialien die USA für die Unterstützung der Ukraine in welchen Stückzahlen zur Verfügung stellen.
Auszug: „109 Bradley Infantry Fighting Vehicles; Over 1,700 High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicles (HMMWVs); 44 trucks and 88 trailers to transport heavy equipment; Over 500 Mine Resistant Ambush Protected Vehicles (MRAPs)“.
Das sind exakt die Typen von Militärfahrzeugen, die via Bremerhaven nach Europa kommen.
Schaden diese Fotos den USA und der Ukraine und helfen sie den Russen?
Nein. Die USA und ihre Verbündeten fahren ganz offenkundig bewusst die Strategie, ihre Unterstützung der Ukraine nicht (nur) diskret zu leisten, sondern teils auch ganz offen zu inszenieren. Der offene Umgang mit den Lieferungen – von den Ankündigungen über die Transporte in aller Öffentlichkeit – trägt dazu bei, dass diese Militärgüter schon wirken, bevor sie an der Front sind.
Vor allem die USA zeigen Russland gezielt, worauf es sich bei seinem Angriff auf die Ukraine langfristig einstellen muss.
Zugleich gilt: Was die USA geheim halten wollen, werden sie auch geheim halten können.
Sind solche Fotos faktisch Spionage für die Russen?
Nein. Die Russen sind definitiv nicht auf Luftbilder aus deutschen Medien angewiesen, um darüber informiert zu sein, wo die USA welche Militärgüter bewegen.
Großmächte wie die USA und Russland verfügen über hochauflösende Aufklärungssatelliten, die in der Lage sind, selbst kleinste Gegenstände am Boden und jeden Transport zu dokumentieren. Die Genauigkeit ihrer Kameras soll im Millimeterbereich liegen.
Experten gehen deshalb davon aus, dass die Russen jederzeit und detailliert verfolgen können, was die US-Armee für die Ukraine liefert – von der Beladung der Schiffe in den USA über den Transport über den Atlantik bis zum Ausladen in europäischen Häfen und dem Weitertransport in die Arsenale oder an die Front.
Müssen solche Luftbilder nicht genehmigt werden?
Nein. Schon seit 1990 nicht mehr. Bis dahin durften laut Luftverkehrsgesetz Fotos „von einem Luftfahrzeug aus außerhalb des Fluglinienverkehrs nur mit behördlicher Erlaubnis gefertigt werden“. Diese generelle Genehmigungspflicht für Luftfotos wurde 1990 abgeschafft. Eine Einschränkung gilt: Bei militärischen Einrichtungen oder Vorgängen sind Luftbilder untersagt, wenn dadurch „die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Schlagkraft der Truppe gefährdet“ wird (Strafgesetzbuch, Paragraf 109). Im Fall unserer Luftbilder vom Hafen ist beides nicht gegeben.
Berichten wir deshalb darüber, weil wir die Waffenlieferungen kritisch sehen?
Nein. Mutmaßungen, warum freie Medien über etwas berichten, liegen meist falsch. Unsere Berichterstattung drückt keine Kritik am Engagement der USA oder an den Waffenlieferungen via Deutschland aus. Wir berichten über Fakten.
Warum berichten wir überhaupt über die Waffenlieferungen?
Darum: Bremerhaven spielt in der Ukraine-Krise mit ihren weltumspannenden Folgen eine funktionale Rolle. Was die USA an Hilfen zusagen, wird zeitnah auch über Bremerhaven nach Europa geschafft. BLG Logistics ist daran beteiligt, heimische Experten schaffen die Fahrzeuge an Land, die Weitertransporte laufen für jedermann sichtbar durch den Hafen, durch Bremerhaven und über deutsche Autobahnen.
Wir dokumentieren, was Fakt ist. Wir erklären nüchtern, warum und nach welcher Systematik die Transporte nach Bremerhaven gelangen – und was durch Bremerhaven gefahren wird. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, dass noch viele weitere derartige Transporte zu erwarten sind.
Sind uns die Sorgen der Bürger egal?
Nein. Wir wissen, dass viele Bremerhavener sich wegen der Waffen und Militärfahrzeuge in der Stadt unwohl fühlen. Wir haben Verständnis dafür. Wir wissen, dass ältere Mitbürger tief verinnerlicht haben, dass Bremerhaven im 2. Weltkrieg wegen seiner Versorgungsfunktion zerbombt worden ist. Wir achten das. Wir hören, dass auch viele jüngere Menschen Ängste vor Angriffen auf Bremerhaven wegen der Militärgüter haben. Uns ist das nicht egal. Wir erfahren von Sorgen, dass in der Region lebende Russen wegen der US-Transporte zu Anschlägen verleitet werden könnten. Auch uns erschüttert das.
All das wird aber nicht dadurch hergerufen, weil wir darüber berichten. All das gäbe es auch ohne jede Zeile, ohne ein Foto.
Kann man die Berichterstattung nicht einfach bleiben lassen?
Wir sind überzeugt: nein. Die Transporte sind Fakt. Die Transportschiffe kommen etwa im Wochentakt nach Bremerhaven, die Transporte durch die Stadt laufen nahezu täglich. Die Augen davor zu verschließen oder nicht darüber zu berichten, wäre letztlich auch eine Kapitulation vor dem Angriff Putins auf die Freiheit des Westens. Und es gäbe zu Recht den Vorwurf, wir würden die Transporte totschweigen.
Natürlich wägen wir bei unserer Berichterstattung stets ab. Natürlich sehen auch wir die Perspektiven etwa der Stadtverwaltung, des Hafen-Senats, von BLG Logistics und von Bremenports.
Es gibt aber einen grundlegenden Unterschied zwischen Public Relations und Journalismus: PR propagiert, was sein sollte - im Sinne der Absender. Journalismus thematisiert das, was ist – im Sinne der Wahrheit und der Leser.
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