Wurster Nordseeküste

Landkreis Cuxhaven: Sterben die Landgasthöfe aus?

In der Pandemie hatten es Landgasthöfe besonders schwer. Jetzt florieren sie wieder. Trotzdem suchen viele Betreiber vergeblich nach Nachfolgern. Axel Frers vom „Milmer Treff“ in Midlum zerreißt es fast das Herz: „Aber irgendwann muss Schluss sein.“

Milmer Treff Landgasthof

Axel Frers und seine Lebensgefährtin Petra Gerbig vom „Milmer Treff“ in Midlum sind Gastronomen mit ganzem Herzen.

Foto: Heike Leuschner

Ob Feierabendbier, Hochzeitsfeiern, Trauerkaffee, Kegelbahn, Stammtisch oder einfach mal Essen gehen - im „Milmer Treff“ in Midlum gibt es das volle Programm, das ein klassischer Landgasthof zu bieten hat. Das soll vorerst auch so bleiben. Jedenfalls für dieses Jahr. Doch perspektivisch denkt Axel Frers ans Aufhören. Der Gastronom sucht einen Nachfolger.

Landgasthof Milmer Treff

Am Specken 1, mitten in Midlum - schräg gegenüber von der Kirche - befindet sich der Landgasthof „Milmer Treff“.

Foto: Heike Leuschner

Vor ein paar Wochen hat er seinen Betrieb auf einem Immobilienportal online zum Verkauf angeboten. „Ländlich gelegene Gaststätte mit Saal, Clubzimmer und Kegelbahn als gepflegte Kapitalanlage. Mietwohnung im Obergeschoss und Wohnungen im Nebengebäude sowie Gästehaus und Garagen“, heißt es in der Beschreibung. „Ich wollte einfach mal sehen, ob sich jemand dafür interessiert.“

Landgasthof „Milmer Treff“ existiert seit 1898

Der „Milmer Treff“ ist ein Traditionsgasthof. Schlicht von außen, frisch und modern renoviert von innen. Auf der Schwelle zur Gaststube gibt es einen Stein mit der Aufschrift 1898. In jenem Jahr hatte Frers Großvater Carl den Gasthof in der Ortsmitte schräg gegenüber der Midlumer Kirche gegründet. 125 Jahre ist das her. Später übernahm der Vater den Betrieb. Axel Frers ist die dritte Generation und zugleich die letzte.

Landgasthof Milmer Treff

Auf der Schwelle zur Gaststube hat Inhaber Axel Frers das Gründungsjahr des „Milmer Treffs“ verewigt. In diesem Jahr besteht der Gasthof 125 Jahre.

Foto: Heike Leuschner

Von Frers’ drei Kindern will keiner das Familienunternehmen weiterführen. „Das habe ich aber auch nie erwartet“, sagt er. Seine Kinder seien bei ihrer Berufswahl völlig frei gewesen. Bei ihm selbst war das noch anders. „Es war klar, dass ich den Gasthof einmal übernehmen soll“, sagt der gelernte Koch.

Seit bald 50 Jahren Koch und Gastronom

Frers ist gerne Gastronom. Und gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin Petra Gerbig ist er immer noch mit Herzblut und Euphorie bei der Sache. „Aber ich bin jetzt seit bald 50 Jahren Koch und werde 62, irgendwann will ich hier auch mal raus.“

Das Verkaufsinserat ist ein Versuch. Klar, hätten sich einige Interessenten gemeldet. Doch Frers sucht keinen Immobilienspektulanten. Beim Gedanken, dass Gaststube und Saal zu Wohnungen umgebaut werden könnten, blutet ihm das Herz.

Landgasthof Milmer Treff

Die Räumlichkeiten sind frisch renoviert - bis hin zur schick beleuchteten Kegelbahn.

Foto: Heike Leuschner

Mit der schwierigen Suche nach einem Nachfolger ist der „Milmer Treff“ kein Einzelfall. Ende 2018 haben sich die Türen von Riehls Garten in Cappel-Niederstrich nach 200 Jahren geschlossen. 2019 wurde der Landgasthof „Zur Pipinsburg“ zum Verkauf angeboten. Heute befindet sich eine Hundepension in den Räumlichkeiten. Und Ende 2022 haben die Betreiber des Landgasthofes „Zur goldenen Aue“ in Bramstedt-Gackau ohne Nachfolger nach fast 55 Jahren aufgegeben.

Kostendruck, Personal und Mehrwertsteuer

Olaf Wurm, Betreiber des Gasthauses „Fisch und Meer“ und DEHOGA-Vorsitzender im Bezirk Stade könnte noch mehr Landgasthöfe nennen, von denen er glaubt, dass sie über kurz oder lang aufgeben werden. „Kostendruck, Personalsituation, das eigenen Alter und die Sorge, dass die Mehrwertsteuer demnächst wieder von 7 auf 19 Prozent angehoben wird, machen vielen zu schaffen.“

Landgasthof Milmer Treff

Auf einer Immobilien-Online-Plattform wird der „Milmer Treff“ zum Verkauf angeboten.

Dabei hält er Landgasthöfe für wichtig: „Die Leute vom Land wollen ihre Hochzeiten auf dem Dorf feiern, Landgastronomie lohnt sich durchaus.“ Auch als Versammlungsort für Vereine sind die Dorfgaststätten ein wichtiger Anker.

Doch junge Gastronomen zieht es immer seltener aufs Land. „Wer sich selbstständig machen will, geht lieber in die Stadt“, sagt Nathalie Rübsteck. Viele Landgasthöfe gingen verloren, bedauert die Geschäftsführerin des DEHOGA-Bezirksverbandes Stade. Wo die Landbevölkerung einst Hochzeiten und Jubiläen gefeiert habe, entstünden heute häufig Seniorenwohnanlagen.

Wo sollen Vereine ohne Landgasthöfe denn hin?

Wurm und Frers hoffen, dass der „Milmer Treff“ bleibt, was er ist. Neben dem kleinen Dorfladen ist er der letzte zentrale Punkt in einem Ort mit fast 2.000 Einwohnern. „Wo sollen die Vereine denn hin, wenn es die Gasthöfe nicht mehr gibt?“, fragt sich Frers.

Noch trägt er seine Kochjacke, blättert im Terminkalender, bereitet die Veranstaltungen für das nächste Wochenende vor und freut sich auf einen 100. Geburtstag, den die Jubilarin unbedingt im „Milmer Treff“ feiern möchte. „Mein erster 100.“, sagt Frers und strahlt.

Wenn es mit dem Verkauf nicht klappen sollte, kann sich Frers auch vorstellen, seinen Landgasthof zu verpachten. „Schweren Herzens“, wie er betont. „So einen Betrieb kann man auch in nur einem oder zwei Jahren an die Wand fahren.“ Deshalb sei es wichtig, dass die Chemie zwischen Gastwirt und Landbevölkerung stimmt. „Wenn man selbst vom Dorf kommt, ist man zwei Schritte voraus“, sagt Frers. „Man muss mit den Leuten reden, auf ihre Wünsche eingehen. Bei einem Fremden fehlt das Du. Wenn du diese Barriere nicht nimmst, hast du verloren.“

Heike Leuschner

Reporterin

Heike Leuschner hat sich nach einem Jura-Studium für die journalistische Laufbahn entschieden. Seit 2010 ist sie als Redakteurin in der Lokalredaktion der NORDSEE-ZEITUNG beschäftigt. Privat sieht man sie oft mit Kamera – oder gar nicht. Dann ist sie auf Reisen.

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